Rezension

Wenn die Polizei außer Kontrolle gerät

Fremdland - Philipp Reinartz

Fremdland
von Philipp Reinartz

Bewertet mit 4 Sternen

Fremdland. Ein aus seiner Heimat geflüchteter Senegalese kommt mit seiner kleinen Familie nach Berlin. Ohne Perspektiven aber voller Wünsche gerät er mit dem Gesetz in Konflikt und trifft auf einzelne Polizisten, die nach ihren eigenen Regeln spielen und alle Grenzen überschreiten.

Zum Inhalt:

In einem Seniorenheim wird Louisa Sprecher (97) ermordet aufgefunden. Der Täter hat ein Schreiben mit einem rätselhaften Gedicht hinterlassen, das die neunte Mordkommission der Berliner Polizei auf den Plan ruft. Ihr Leiter Jerusalem Schmitt versucht mit seinem Team diesen Mord aufzuklären. Dabei hat er aber auch mit privaten Untersuchungen zu tun, die sich um seinen Vater und eine manipulierte Akte aus den 90er Jahren drehen. 
In einem zweiten Handlungsstrang kommt Mo, ein Senegalese mit seiner Frau und seiner Tochter in Deutschland als Asylbewerber an. Voller Hoffnungen versucht in dem für ihn fremden Land Fuß zu fassen. Doch alle Bemühungen sind vergeblich. 

Mein Eindruck:

Philipp Reinartz lässt reale Vorfälle im Hamburg der 90er Jahre in Berlin geschehen. Die Fremdenfeindlichkeit innerhalb einer kleinen Einheit der Polizei eskaliert in Form purer Polizeigewalt und verursacht letztlich eine menschliche Katastrophe. Die Thematik insgesamt erscheint hervorragend herausgearbeitet, sehr brisant und natürlich auch heute sehr aktuell vor.
Die Verpackung dieses ernsten Grundthemas in einem unterhaltsamen Kriminalroman, ist im Wesentlichen gut gelungen. Die Geschichte um Jerusalem Schmitt als Ermittler, ist vor allem in der zweiten Hälfte sehr rasant und hält den Leser durch hohe Spannung und Ermittlungsdruck bei der Stange. Unterstützt wird dieses Tempo durch kurze und knackige Kapitel. Die Verknüpfung zwischen Vergangenheit und Gegenwart gelingt Reinartz sehr gut.
Insgesamt erscheint die Geschichte dann trotz aller Dynamik phasenweise etwas konstruiert. Hierzu zählen für mich das rätselhafte Schreiben bei der ermordeten Seniorin und ein weiteres ähnlich kryptisches Rätsel.
Die Schlüsselszene wird mehrfach aus unterschiedlichsten Perspektiven heraus beschrieben. Das Geschehen wird hierdurch zwar lückenlos und beschrieben, aber es kommt mir für einen Unterhaltungsroman abschließend betrachtet zu detailliert und übervollständig vor.
Die Charaktere, allen voran Jerusalem Schmitt, sind ausreichend skizziert, um ein entsprechendes Bild der handelnden Figuren zu entwickeln. Unter Umständen fehlt mir hier das Wissen aus dem Vorgängerband dieser Reihe. 
Dem Schreibstil des Autors kann man gut folgen. Hier und da werden direkte Dialoge durch indirekte Rede ersetzt, was auf mich eher ungewohnt wirkt. 

Fazit:

Die Kombination Polizeigewalt und Fremdenfeindlichkeit als Grundthema dieses Krimis wird sehr spannend und rasant umgesetzt. Fremdland lädt nicht nur zur reinen Unterhaltung ein, sondern auch zum Nachdenken über die dargestellten Themen. Daher ist es eine ernsthafte und gleichzeitig unterhaltsame Lektüre, die ich gerne empfehlen möchte.