Rezension

Wenn Schmerz zum Greifen nahe ist

Wovon wir träumten - Julie Otsuka

Wovon wir träumten
von Julie Otsuka

Bewertet mit 4.5 Sternen

In einem Schiff voller Hoffnung, Erwartungen und unerfüllter Wünsche überqueren Anfang des 20. Jahrhunderts junge Japanerinnen den Ozean. Ihre zukünftigen Ehemänner kennen sie nur von den Fotos der Heiratsvermittler, Amerika haben sie noch nie gesehen, doch sie träumen von einem besseren Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und lassen dafür ihre Familien und alles, was ihnen lieb und kostbar ist zurück.

Die ihnen versprochene glänzende Zukunft in Reichtum und Wohlstand jedoch ist ein leeres Versprechen, stattdessen wartet auf sie harte Arbeit in moderner Sklaverei.

Zerbrechlich und kostbar ist das Gut der Hoffnung, beklemmend das Wissen darum, sie alle, diese jungen, hoffnungsvollen Frauen, erhobenen Hauptes in eine ungewisse Zukunft gehen zu sehen, die für die meisten von ihnen wenig Erfreuliches bereitzuhalten verspricht.

Um sie alle geht es, als Kollektiv, denn sie vereint ihr Schicksal. Nicht Arztgattin oder die Frau eines Rechtsanwalts werden sie, denn ihre Partner bestellen die Felder der reichen Amerikaner. Das versprochene Glück erreicht sie höchstens als sanfter Hauch inmitten von körperlicher und seelischer Qualen. Unter den Eindrücken des zweiten Weltkrieges schließlich wird Distanz unüberbrückbar zu Hass und ihre Kinder stehen vor der folgendschweren Entscheidung, sich für oder gegen ihre Wurzeln entscheiden zu müssen.

Julie Otsuka gelingt es auf atemberaubende Weise, in einem einzigen Satz das Schicksal eines ganzen Volkes zu erzählen. Raffiniert wählt sie hierfür die „Wir- Form“; die Frauen sprechen für sich selbst, gleich einem Chor, der schicksalhaft verbunden wurde für den Rest einer Ewigkeit. So also fühlt sich gescheiterte Integration an, Julie Otsuka lässt sie uns spüren.