Rezension

wichtige Themen gut verpackt

Alles ganz normal -

Alles ganz normal
von Roberta Marasco

Bewertet mit 4.5 Sternen

Aufgrund des Klappentextes war ich sehr neugierig auf das Buch. Die Regelblutung begleitet Mädchen und Frauen einige Jahrzehnte ihres Lebens, findet in Geschichten aber nur selten Erwähnung. Dabei ist es gerade wichtig, das Thema für die Zielgruppe des Buches (empfohlen ab 12 Jahren) offenzulegen, um ihm die Schamhaftigkeit zu nehmen. Und das gelingt dem Buch in meinen Augen auf jeden Fall ein wenig.

Allerdings ist die Geschichte thematisch insgesamt sehr vollgepackt.
Es geht nicht nur um das Einsetzen der Periode bei jungen Mädchen und wie sie damit zurechtkommen bzw. es zu verbergen versuchen.
Behandelt werden – eingebunden in die Geschichte um Camillas Startschwierigkeiten an der neuen Schule und Lunas plötzlichen Ruhm – auch Probleme und Themen rund um Social Media, Mobbing, Familie, Verlust und Freundschaft. Auch die Begriffe Feminismus und Umweltschutz fallen im Verlauf der Handlung.

Damit berührt das Buch viele Aspekte der Lebenswirklichkeit von Teenagern, sodass sich jede/r ein Stück weit in der Geschichte wiederfinden wird bzw. sich in verschiedene Figuren besonders gut hineinversetzen können wird.

Luna und Camilla schildern das Geschehen abwechselnd aus der Ich-Perspektive. Sie offenbaren ihre Gedanken und Gefühle, die die Ereignisse und ihre Lebensumstände bei ihnen auslösen. Die Sprache ist leicht verständlich und jugendlich frisch.
Ernsthaftigkeit und Spaß wechseln sich in der Handlung ab. Es gibt einige wirklich witzige Momente, aber auch eben viele tiefgreifende Gedanken.

Die zwei Protagonistinnen leben in sehr verschiedene Familienkonstellationen, in denen es allerlei Konflikte gibt. Besonders Camilla hat Probleme, die neue Stieffamilie zu akzeptieren. Unverständnis, Unwille und Missverständnisse bestimmen ihren neuen Alltag, bevor sie erkennt, was wirklich um sie herum passiert.
Damit verbunden spielt auch die Trauer um den Verlust ihrer verstorbenen Mutter eine entscheidende Rolle.

Als TikTokerin erlangt Luna große Berühmtheit. Sie wird auf der Straße erkannt und von Stars und Firmen angeschrieben. Dargestellt wird zum einen die Freunde der 13-jährigen über ihre steigenden Followerzahlen und die Chancen (und Verführungen), die sich für sie daraus ergeben, aber auch die damit verbundenen Risiken sowie die Arbeit, die hinter jedem Post steckt. Ein gewisser Leistungsdruck inklusive.

Während Luna ihre Videos bewusst ins Internet stellt, wird Camilla unbeabsichtigt zum „Internet-Hit“. Das Video, in dem sie ihre Gefühle über das Einsetzen ihrer Periode schildert, war nämlich nie für die Öffentlichkeit bestimmt. In der Schule wird sie dafür zunächst ausgelacht, gehänselt und von Mitschülerinnen gemieden. Es dauert, bis ein Veränderungsprozess einsetzt. Gelungen fand ich, wie eine Lehrkraft das Thema aufgreift und besonders die Jungen aufklärt. Gleichzeitig entwickeln die Mädchen ein Gemeinschaftsgefühl, da es sie alle gleichermaßen betrifft. Sie tragen den Grundstein für neues Leben in sich – Scham ist da völlig fehl am Platz.
Wie das Thema der Menstruation in die Geschichte eingearbeitet ist und dezent Informationen (wie z.B. die tatsächliche Blutmenge, während die Mädchen dies völlig anders empfinden) einfließen, hat mir gut gefallen.
Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung der Mädchen, die lernen, zu sich selbst zu stehen, es wird auch allgemein das Frauenbild in der Gesellschaft betrachtet. Dazu sei gesagt, dass die Geschichte in Italien spielt, wo die Rollenbilder noch etwas starrer zu sein scheint. Und so ziehen sich Bemerkungen zu Gleichberechtigung und Feminismus ebenfalls durch das ganze Buch.

Und zuletzt lehrt die Geschichte auch noch, dass es nie zu spät ist, für seine Träumen zu arbeiten…

Fazit

Zu sagen, das Buch behandele EIN wichtiges Thema, wäre falsch. Denn tatsächlich werden ganze viele Themen behandelt, die Jugendliche berühren und bewegen. Dabei nimmt die weibliche Menstruation, die Mädchen/ Frauen nicht versuchen sollten, zu verstecken, eine zentrale Position ein. Viele Figuren machen im Verlauf der Handlung eine Entwicklung durch, erkennen Missstände und Missverständnisse, versuchen für sich selbst einzustehen…
Mir gefällt, wie all die ernsten Gedanken in eine runde Geschichte verpackt werden, die Denkanstöße liefert, ohne dabei belehrend zu wirken. Zwischendurch hätte ich mir vielleicht nur ein wenig mehr Schwung gewünscht, zeitweise zieht sich das Geschehen ein wenig.