Rezension

Wir waren keine Nazis

Die verdammte Generation - Christian Hardinghaus

Die verdammte Generation
von Christian Hardinghaus

Waren alle Soldaten der Wehrmacht Nazis? Ein Bild welches hier zurecht gerückt wird. Ein wichtiges und vor allem richtiges Buch!

„Aber wie können sie urteilen, wenn sie selbst nie in der Lage gewesen sind, das zu fühlen, zu entscheiden, zu erleben und zu erleiden was wir damals in unserer Situation mussten?“

(Seite 100, Wigand)

 Alle Soldaten der Wehrmacht waren Nationalsozialisten, alle wussten vom Holocaust, von den Gräultaten der SS, den Befehlen von Hitler, es gibt keine Ausreden. Dies ist ein Bild welches sich mit der Generation von 1968 entstanden ist und festgesetzt wurde. Alle Eltern waren damals in der Nationalsozialistischen Zeit irgendwo engagiert und sie wussten von den Taten.

Dieses Bild wurde nie hinterfragt, nie geändert, es wurden nie die Soldaten von damals gefragt, angehört, in die Öffentlichkeit gestellt. Natürlich ist es nicht zu bestreiten dass der Holocaust das Schrecklichste aller Verbrechen ist, eine Unmenschlichkeit die keine Worte findet. Aber was ist mit den Menschen die keine Wahl hatten? Und hatte man überhaupt damals eine Möglichkeit für ein „Nein“ oder nicht? Wie war es als Soldat in der Wehrmacht kämpfen zu müssen, was hat diese Männer dazu bewegt? Welches Weltbild hat sich ihnen aufgetan, wie war das Elternhaus?

Ein Buch welches viele Fragen beantwortet, erklärt, aufklärt und vor allem auch die Menschen anhört die als 20jährige oder oft noch jünger, gerade zum Ende des Krieges, in die Wehrmacht eingezogen wurden oder sich freiwillig gemeldet hatten. Mit welchen Vorstellungen gingen die Soldaten an diese Situation heran?

Der Autor Christian Hardinghaus hat von allen 3 Bereichen der damaligen Wehrmacht Soldaten aufgesucht und mit ihnen gesprochen – Marine, Infanterie und Luftwaffe kommen hier zu Wort. Begonnen mit ihrer Kindheit, wie sie zum Militär gefunden haben und was sie im Krieg erlebt haben. Auch werden am Ende jeder Person 3 Fragen an sie gestellt, unter anderem – was sie vom Holocaust und von den Kriegsverbrechen gewusst haben?

Die Erzählungen sind unterschiedlich, die Werdegänge ebenso, die Berichte sind oft mit Fotos unterlegt. Und bei allen Erzählungen laufen innerlich Bilder ab, man fühlt mit diesen Männern mit und merkt dass sie jetzt, in einem hohen Alter, mit der Vergangenheit sehr schlecht umgehen können, sie wollen und müssen ihre Erlebnisse erzählen und der Autor nimmt sich hier die  Zeit.

Entstanden ist auf jeden Fall ein bedrückendes aber doch wichtiges Gesamtbild der Soldaten der Wehrmacht welches nicht weniger erschreckend und oft schockierender ist als die ganze Zeit des Dritten Reiches. Dieses Buch gibt den Männern die von vorne rein von der Gesellschaft verurteilt wurden eine Stimme, lässt ihre Geschichte nochmals lebendig werden und wirken und ist ein unheimlich wichtiges Buch.

Wir müssen weiterhin die Themen aufarbeiten die sich mit dem Dritten Reich beschäftigen und müssen alle Geschehnisse einbeziehen, dazu gehören auch die Soldaten die damals wie heute nur eines im Sinn hatten – ihrem Land dienen, es zu schützen und die Familien und Menschen die dort leben. Und die ebenso ehrenhaften Männer waren wie viele andere Soldaten auch, man darf und kann nicht alle Menschen in einen Topf werfen!

„Da kommen sogenannte Neonazis und beschweren sich über ihr ach so schlimmes Leben in Deutschland. Und ich frage mich, was sie wohl andauernd zu beklagen haben, wenn sie doch augenscheinlich alle genug zu essen haben und nicht mit einer Waffe in der Hand jeden Tag um ihr Leben kämpfen müssen. Allein, dass man auf die Idee kommt, heute ein Nazi sein zu wollen, klingt für mich komplett absurd.“ (151/152, Johannes)

Ein Buch welches wichtiger nicht sein könnte und von daher eine ganz klare Leseempfehlung für alle!