Rezension

Wirtschaftswunder und Kriegsverbrecher

Die Zeit der Jäger -

Die Zeit der Jäger
von Andreas Götz

Bewertet mit 4 Sternen

Die Münchener Kripo wird 1958 ins Haus des Immobilienkönigs Blohm gerufen, der den Spuren nach überfallen und verletzt wurde, jedoch weder tot noch lebendig aufzufinden ist. Blohms Wachmann und Hausmeister liegt erstochen in seinem Bett. In Rückblenden entwickelt sich ein komplexes Geflecht privater, politischer und geschäftlicher Beziehungen zwischen Blohm, seiner Frau Magda, die inzwischen in New York lebt, ihrer großen Liebe Karl Wieners und dem Team um Ermittler Ludwig Gruber, der nach einer Episode als Privatdetektiv zur Münchener Kripo zurückgekehrt ist. Im beginnenden Deutschen Wirtschaftswunder haben Ludwig und Karl sich Wohnungen und Autos angeschafft. Magda in New York hat offenbar sogar Aussicht auf Arbeit als freie Pressefotografin. Über Magda und Karl hängt wie eine düstere Wolke Magdas Vernunftehe mit Blohm. Er wird sie niemals freigeben,  um so seine Macht über das verhinderte Liebespaar zu demonstrieren. Während man als Leser noch rätselt, ob einer von ihnen bereit wäre, Blohm zu töten, stellt sich in München die Frage, ob das Opfer sich durch seine Bereicherung an jüdischem Vermögen nicht weit entschlossenere, skrupellosere Feinde gemacht haben könnte. Eine Gruppe jüdischer Aktivisten will ungesühnte Verbrechen der Nazizeit ins öffentliche Bewusstsein holen und Vermögen zurückholen, das jüdischen Emigranten und KZ-Häftlingen geraubt wurde.

Ludwig Gruber wie auch Karl Wieners sind beruflich mit der schleppenden Verfolgung von Kriegsverbrechern durch die deutsche Justiz befasst, die geradezu als Aufforderung an die Täter wirkt, sich noch vor Anklageerhebung ins Ausland abzusetzen. Ludwig realisiert, dass die vertuschten und verdrängten Verbrechen der Polizei im besetzten Polen ihn an seinem Arbeitsplatz direkt betreffen.

In einem komplexen Geflecht aus diversen Handlungsfäden, Schauplätzen und Berufsfeldern zeigt Andreas Götz, wie stark in Deutschland  noch bis in die 50er und später unverarbeitete Kriegstraumata und ungeklärte Familienbeziehungen das Leben bestimmten. Das aus den Erfahrungen in einer Diktatur stammende Misstrauen prägt, ständig durch den Ost-West-Konflikt befeuert, die männlichen Figuren dieses Abschlussbandes ebenso wie Disziplin, Gehorsam und Korpsgeist innerhalb der Polizei und der Justiz. Andreas Götz schreibt im Nachwort, dass er das Klima der Verdrängung und des Selbstbetrugs für einen Kriminalroman besonders faszinierend fand.

Entstanden ist ein Roman über eine um 1900 geborene, traumatisierte Männergeneration, die zumeist über ihre Erlebnisse schwieg, und deren „Kriegskinder“, die vaterlos oder mit versehrten, schweigenden Vätern  aufwuchsen. Für die 50er Jahre authentisch, kommen in allen  drei Bänden zwar Frauen als Familienangehörige vor, blieben mir jedoch eigenartig fern. Auch in diesem Band fand ich die Frauenfiguren, besonders Magda, wieder recht emotionslos dargestellt. Auch Magda ist von ihren Kriegserlebnissen traumatisiert.