Rezension

Wow. Was für eine Geschichte, destruktiv und fordernd.

"Null" -

"Null"
von Gine Cornelia Pedersen

Bewertet mit 5 Sternen

Die  sechzehn jährige, namenlose Ich-Erzählerin steht vor dem Spiegel und betrachtet sich, stellt fest, dass sie auf die Bühne muss, einen Preis gewinnen muss. 

Ihr Papa ist in Oslo, jedes zweite Wochenede besucht er sie. Er wird immer ihr Held sein. Sie will mit nach Oslo, das Kaff hier erdrückt sie, hier sieht sie keiner. Und weil ihr so langweilig ist, trinkt sie Wodka, raucht Bong und ritzt sich die Arme auf. 

Als sie tatsächlich, endlich nach Oslo zieht, fängt sie in einem Altenheim an, aber sie kommt mit der Scheiße und dem Sterben der Alten nicht klar.

Dann versucht sie es in einem Kindergarten, aber da möchte sie auch gefüttert und gehalten werden.

In einem hippen Klamottenladen schreibt man ihr vor, was sie anziehen soll, sie fühlt sich verkleidet. Ihrer Chefin ist sie zu zugeknöpft. 

Jetzt lebt sie von Sozialgeld und Tabletten, die nicht helfen. Ihre Therapeutin hat ein paar Kurse Kognitive Gesprächtherapie gemacht. Sie sieht ihr nicht in die Augen und lässt sich von ihr zum Stottern bringen.

Ein folgender Aufenthalt, in der “Geschlossenen”, nimmt sie aus der Welt. Sie bekommt zahlreiche Medikamente, die sie sabbern und verwaschen sprechen lassen. Erst mit der Spritze sind die Gedanken weg. Null.

Sie wird wieder in die Gesellschaft eingegliedert und verpasst die nächste Inkektion:

Ich fange wieder an zu denken. Ich denke die ganze Zeit. Die Gedanken rasen. Es ist wie ein Rausch. Ich bin berauscht von der Sonne. Berauscht von der Nacht. Berauscht von den Menschen auf der Straße. Noch nie hat es mir so viel bedeutet, am Leben zu sein. Jeden Tag verliebe ich mich in neue Menschen. Folge ihnen. S. 80

Fazit: Wow!

Dieses Buch ist sehr besonders, destruktiv und fordernd. Es erinnert entfernt an März von Heinar Kipphardt. Für mich ist es das Psychogramm einer hochfrequenten BorderlinerIn, die absolut enthemmt ihren Alltag stemmt und versucht, dabei den größtmöglichen Spaß zu empfinden. Sie ist für ihre Mitmenschen, vor allem die männlichen, so besonders wie anstrengend. Es ist erschrecken aber auch faszinierend, wie sie sich frei jeden Gedankens an Konsequenzen, in ihr Leben stürzt und sich vor sich her peitscht. Es entsteht eine Sogwirkung, der ich mich nicht entziehen konnte. Der Schreibstil besteht aus kurzen Sätzen, die Tempo und Lesefluss erhöhen. Wer sich in das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen hineinversetzen möchte, der/die bis in die Grundfesten erschüttert ist und einen ehrlichen Blick, in die geschlossene Psychiatrie werfen möchte, der/die wird in diesem Buch fündig.