Rezension

Wünsch dir was und das "Fabber" gibt es dir.

Walkaway - Cory Doctorow

Walkaway
von Cory Doctorow

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Fabber sind 3-D-Drucker, die fast alles, vom Stuhl, über Kleidung, bis zum Medikament, vollautomatisch herstellen können. Arbeiter sind kaum noch nötig, die meisten Menschen auf der postapokalyptischen Welt überflüssig. Sie dienen nur noch als sklavische Masse für die Zottas (sehr, sehr reiche Menschen), die ihre wertvolle Lebenszeit damit verbringen, Macht und Geld zu vermehren. Immer mehr Menschen brechen aus diesem System aus, verschwinden aus dem Herrschaftsbereich der Zottas und suchen Zuflucht bei den Leuten im Walkaway .

Natalie ist ein echtes Zottakind und doch findet sie Spaß daran, mit ihren Freunden umherzustreifen und aufgegebene Fabriken zu besetzen. Dort werden Kommunistenparties gefeiert. Die alten Fabber werden in Gang gesetzt und die produzierten Sachen an alle verschenkt, die sie haben wollen. Das muss heimlich und schnell passieren, denn natürlich mag sich kein Zotta die Butter vom Brot stehlen. Die Schergen der Reichen lassen die Parties auffliegen und gehen dabei immer brutaler gegen die Besetzer vor.

Eines Nachts wird Natalie Zeugin, wie die friedlich Feiernden auf einer dieser Parties erschossen werden, flieht zunächst zusammen mit Bekannten in das Haus ihres Vaters, beschließt dann aber endgültig "ihre" Welt zu verlassen und geht mit ihnen fort. Sie finden auch bald eine Kommune, die sie aufnimmt. Bei den Walkaways darf sich jeder neu erfinden und so nennt sich Natalie fortan Iceweasel.

Nicht nur andere Namen kennzeichnen die Walkaways, sie leben auch ein gänzlich anderes System zum Default (die alte "Zivilisation"??). Jeder ist gleich viel wert, jeder darf soviel zur Gemeinschaft beitragen wie er verkraftet, Geld hat keinen Wert und keiner ist der Boss. Es funktioniert! Es würde funktionieren, wenn es da nicht die Suche nach der Unsterblichkeit gäbe, bei den Walkaways und auch im Default.

Als der Default erfährt, dass große Fortschritte im Walkaway gemacht werden, befürchten sie, dass dieser Menschheitswunsch für Jeden zugänglich gemacht werden könnte. Das versuchen sie mit allen Mitteln (Material, Geld und unterbezahlte Sklaven) zu verhindern. Die andere Seite versucht mit allen Mitteln (Ideen, Raffinesse und Zusammenhalt) dagegenzuhalten. Und auch Natalies Vater versucht mit allen Mitteln (Entführung, Zwang und Hinterlist) seine Tochter zurückzugewinnen.

Docotrows Buch ist keine Geschichte vom Kampf, Gut gegen Böse. Vielmehr ist es ein spannender Plot für umfassendere Gedanken. Er konstruiert eine zukünftige Welt, in der alles überwacht (Drohnen, Satelliten) wird, sämtliche Daten gespeichert (Tisch im Restaurant erkennt dich und deine bisherigen Bestellungen und personalisiert die Speisekarte) und vieles automatisiert ist. Ein Entwicklung, die schon jetzt auf den Weg gebracht wurde und die auch immer wieder Gegenstand in Doctorows Kolumnen in "diezukunft.de" ist. Der Autor reflektiert verschiedene Arten des Zusammenlebens und thematisiert den großen Menscheitstraum, die Unsterblichkeit. Die radikal erscheinende Szenen haben dann aber immer noch eine "Hinterttür" für die Flucht in den Graubereich: - warum will ein zotta-reicher, seelenlos erscheinender Mann unbedingt seine abtrünnige Tochter retten, - Mutterschaft steht der grenzenlosen Freiheit im Weg, weil man doch auf einmal für "andere" Menschen entscheiden muss, - endlos leben, macht nicht unbedingt endlos glücklich.
Hat man sich erst einmal an die zahlreichen fremd erscheinenden Begriffe, die häufig wechselnden Namen der Protagonisten und den sprunghaften Szenen- und Zeitwechsel gewöhnt, liest sich dieses Buch wirklich spannend und zum Denken anregend gut!