Rezension

Wundervoller Roman

Das Jahr der Wunder - Amy Hatvany

Das Jahr der Wunder
von Amy Hatvany

Bewertet mit 5 Sternen

Der Einstieg gestaltete sich einfach, wenn auch traurig; man wird sofort mit einem Geschehen konfrontiert, was sich keine Mutter (und auch kein Vater) wünscht. Den Aufbau – Erzählstränge aus 3 verschiedenen Sichten – finde ich sehr gelungen, erhält man so doch einen perfekten Zugang zu den Gedankengängen der einzelnen Protagonisten und deren Gefühlswelt. Während Hannah immer noch um ihre Tochter trauert und nur langsam loslassen kann, plagen Maddie (die Empfängerin des Organs) unter anderem Schuldgefühle, da sie nur lebt, weil ein anderer Mensch sterben musste. Und auch ihre Mutter Olivia kann sich nur bedingt über die zweite Lebenschance ihrer Tochter freuen, denn sie kämpft einen anderen Kampf; den Kampf gegen ihren Ehemann.

Das Gesicht der Frau ist rot angelaufen, und ihre Augen treten hervor, sie hat die Handgelenke des Mannes gepackt, als versuche sie ihn abzuwehren.

(Quelle Zitat: “Das Jahr der Wunder” von Amy Hatvany (Übersetzung von Alexandra Kranefeld), Seite 243)

Auch wenn es sich bei dem obigen Zitat nur um eine fiktiv nachgestellte Szene in einem Studienseminar handelt, ist häusliche Gewalt ein weiteres Brennpunkt-Thema in diesem Buch. Und auch hier lernt man: Nicht immer ist Bleiben eine Schwäche, sondern kann von immenser Stärke und Liebe zeugen.

Ein Buch, was zu 99,9% perfekt war; der Schreibstil flüssig, die Geschichte einfühlsam und zum Nachdenken anregend erzählt, die Charaktere wunderbar herausgearbeitet und detailliert gezeichnet, der Schluss hochdramatisch. Hier hätte ich mir allerdings gerne noch einen kurzen Epilog gewünscht, der mich nicht in diesem Gefühlschaos zurückläßt und vielleicht noch die Frage beantwortet: „Haben sie es endlich geschafft, wurde endlich alles gut?“ (die Fragestellung wurde bewußt naiv gewählt, um nicht zu spoilern).

Fazit: Ein Buch, welches verdeutlicht, mit welchen Problemen und Schuldgefühlen die Personen nach einer Organspende  zu kämpfen haben; ein Buch, was über die Trauer und die Suche nach Halt und der Gestaltung eines neuen Lebens erzählt. 5/5 Sternen.