Rezension

Zauberhaft

Märchen und Erzählungen - Oscar Wilde

Märchen und Erzählungen
von Oscar Wilde

Bewertet mit 5 Sternen

Diese Sammlung umfasst insgesamt 13 Erzählungen, die alle für sich stehen und unterschiedliche Themen behandeln. Dabei sind es zum einen Märchen und zum anderen Erzählungen, wie der Titel ja schon sagt.

Der erste Teil des Buches mit der Gesamtüberschrift "Der Glückliche Prinz und andere Märchen" umfasst fünf Geschichten die von Franz Blei übersetzt wurden. Die Märchen sind: "Der Glückliche Prinz", "Die Nachtigall und die Rose", "Der eigensüchtige Riese", "Der ergebene Freund" und "Die bedeutende Rakete".

Alle fünf Märchen sind wunderschön, traurig und wunderbar erzählt. Sie sind flüssig zu lesen, haben keine unnötigen Längen und regen zum Nachdenken an. Alle fünf haben ihre ganz eigene Botschaft und jedes ist auf seine Art einfach schön. Wilde schrieb sie lebhaft, mit einer schönen, bildlichen Sprache und nicht zu kompliziert und nicht zu einfach. Mir haben alle fünf Märchen unglaublich gut gefallen und ich habe sie in einem Rutsch durchgelesen. Meine absoluten Highlights waren allerdings "Der glückliche Prinz" und "Die Nachtigall und die Rose", weil sie mich, wie kein Märchen je zuvor, tief im Herz getroffen haben.

Der zweite Teil des Buches trägt die Gesamtüberschrift "Ein Granatapfelhaus". Er umfasst vier längere Erzählungen, die von Christine Hoeppener übersetzt wurden. Die Titel sind: "Der junge König", "Der Geburtstag der Infantin", "Der Fischer und seine Seele" und "Das Sternenkind".

"Der junge König" hat mir beim Lesen gut gefallen. Eine schön erzählte Geschichte mit wunderbarer Botschaft, in genau der richtigen Länge und flüssig zu lesen.  Zu Tränen gerührt hat mich "Der Geburtstag der Infantin". "Der Fischer und seine Seele" fand ich stellenweise etwas anstrengend zu lesen. Die Geschichte zog sich etwas, war ansonsten aber genauso berührend wie die anderen. "Das Sternenkind" hat mir besonders wegen der Charakterenwicklung des Sternenkindes sehr gut gefallen und auch wegen des Endes, auch wenn es ein trauriges ist.

Der dritte Teil ist betitelt mit "Lord Arthur Saviles Verbrechen und andere Geschichten". Diese vier Geschichten wurden ebenfalls von Christine Hoeppener übersetzt.  Die Titel sind: "Lord Arthur Saviles Verbrechen", "Das Gespenst von Canterville", "Die Sphinx ohne Geheimnis" und "Der Modellmillionär".

Meine Meinung über "Lord Arthur Savilles Verbrechen" ist geteilt. Auf der einen Seite kann ich das Handeln der Hauptfigur nicht wirklich nachvollziehen und fand die ganze Geschichte dadurch irgendwie unlogisch. Auf der anderen Seite ist es auf jeden Fall eine unterhaltsame, stellenweise fast schon komische Geschichte die gut unterhält, aber auch nachdenklich macht.                                                           

Vor gefühlten, ewigen Zeiten, als ich wohl noch zu jung dafür war, las ich "Das Gespenst von Canterville" schon einmal. Ich lese ja leidenschaftlich gerne Disneys Lustige Taschenbücher und in einem war eine Version von "Das Gespenst von Canterville" drin, die mir so unglaublich gut gefallen hat ( und die auch heute noch zu meinen liebsten Comicgeschichten gehört), dass ich unbedingt das Original lesen wollte. Also besorgte mein Vater eine Reclam-Ausgabe davon und ich machte mich direkt ans lesen. Aber es war gar nicht das was ich nach dieser lustigen Disney-Geschichte erwartet hatte und ich fürchtete mich wahnsinnig vor dem Gespenst, sodass ich das lesen irgendwann abbrach und das Heftchen lange nicht anfasste, bis meine Neugier auf das Ende siegte und ich zumindest das noch las, was ich allerdings auch bereute, da ich es sehr bedrückend fand. Zuerst wollte ich die Geschichte in dieser Sammlung auch überspringen,weil das mulmige Gefühl von früher hängen geblieben war, aber ich tat es nicht und bin sehr froh darüber. Denn meine Sicht darauf jetzt eine ganz andere. Ich fand das Gespenst gar nicht gruselig, sondern stellenweise ziemlich lächerlich. Und gleichzeitig tat es mir auch unglaublich leid. Und das Ende ist gleichzeitig traurig,aber auch schön und vor allem sehr passend. Insgesamt war "Das Gespenst von Canterville" eines meiner Highlights in dem Buch, weil es die wohl factenreichste Geschichte ist und in ihr, der in anderen nur aufblitzende schwarze Humor, am deutlichsten rauskommst.

"Die Sphinx ohne Geheimnis", ist dagegen die Geschichte mit der ich am wenigsten anfangen kann.  Und "Der Modellmillionär" hat mir wieder sehr gut gefallen.

Wenn ich hier jetzt nicht wirklich auf die Handlungen der einzelnen Geschichten eingegangen bin, dann liegt das daran, dass ich nicht ausversehen spoilern möchte und das ich persönlich es beim lesen sehr schön fand, mal gar nichts über die Handlung zu wissen, sondern erstmal nur den Titel als Hinweis zu haben. Und sehr oft habe ich hinter dem Titel eine ganz andere Geschichte vermutet, als das was letzten Endes kam. Das fand ich sehr spannend.

Mein Fazit: Die Märchen und Erzählungen von Oscar Wilde sind wunderschön, tief traurig, tragisch-komisch, schwarzhumorig, einzigartig und jede für sich großartig. Ich hab schon lange nicht mehr ein Buch dermaßen schnell verschlungen. Empfehlen würde ich es jedem, da da wirklich für jeden Geschmack etwas dabei ist. Und grade jetzt in der kalten Jahreszeit lohnt sich ein Blick, denn es ist wirklich das perfekte Buch, für einen kuscheligen Leseabend mit einem Heißgetränk. Nur für Kinder sind diese Märchen eher nicht geeignet, aber das sind die klassischen Grimmschen Märchen ja auch nicht.