Rezension

Zeitlose Antikriegsgeschichte

Fall, Bombe, fall -

Fall, Bombe, fall
von Gerrit Kouwenaar

Bewertet mit 4.5 Sternen

Karel Ruis hatte bis vor kurzem noch die kurzen Hosen eines Kindes getragen, als 1940 der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Niederlande seine Kindheit abrupt beendete. Während der einzelgängerische 17-Jährige austestet, ob seine Mutter dulden wird, von ihm nicht mehr respektvoll mit Sie angesprochen zu werden, deutet sein großspurig wirkender Onkel ihm bereits eine Männerrolle an, in der er Zigaretten und Alkohol konsumieren und bei den Mahlzeiten stets die größte Portion erhalten wird. Dass nun jeder Tag der letzte sein kann, darauf ist niemand vorbereitet. Das unwirklich wirkende Brummen von Flugzeugen über dem Ort trennt die banalen Ereignisse innerhalb der Familie Ruis von Bombenopfern und Gefangenentransporten in der Außenwelt. Für den Krieg gibt es in Karls Welt noch keine Regeln; mögliche Leitfiguren versagen. Für Karel ist der Krieg zunächst abstrakt und bleibt es selbst dann, als er konkret mit dem Tod konfrontiert wird.

Im Wechsel zwischen Erzählperspektive und Karels Innensicht entfaltet sich auf nur 124 Seiten eine fiktive Geschichte mit autobiografischem Bezug. Gerrit Kouwenaar schrieb die Novelle im Alter von 26 Jahren; er war selbst Zeitzeuge der Kriegsereignisse, die er Karel durch das Filter von Aushängen und Auskünften mitteilt. Zarte Handlungsfäden erzählen in wenigen Sätzen eigene Geschichten – von der Bürgerwehr, zu der Jugendliche sich melden können, der ersten Verliebtheit, konspirativen Briefen, die beim Lesen aus heutiger Sicht eine Gänsehaut hinterlassen, und von Mutter und Tochter, die von einem Tag auf den anderen verschwinden.

Fazit
Ein zeitloser Antikriegstext, durch seine Kürze ideal für die Diskussion in Lesekreisen.