Rezension

Zerrissen und verloren

Wir Zerrissenen -

Wir Zerrissenen
von Rešoketšwe Manenzhe

Bewertet mit 4 Sternen

Die beeindruckende Paradiesvogelblume (Strelitzia reginae) kommt aus der Kapregion Südafrikas und ziert auch das Cover dieses Romans. Die Blüte streckt ihre bunten Blätter suchend nach oben und hinterlässt den Eindruck einer zerissenen Schote.

1927 stoßen wir in Südafrika auf den weißen Farmer Abram van Zjil mit seiner schwarzen Frau Alisa und ihren beiden Töchtern Emilia (6) und Dido (9). Im Zuge der Friedensbemühungen zwischen Briten und Buren, stimmten Erstere der weiterführenden Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung zu und verabschiedeten den "Immorality Act", bei dem Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen unter Strafe gestellt wurde.
Das Verbot einer gemischtrassigen Ehe kam erst später, aber die unverhohlenen Andeutungen der Rechtmäßigkeit und Belegbarkeit seiner Ehe und die begierigen Blicke auf seine prosperierende Farm stürzen Abram in Sorgen. Die in den letzten Jahren depressive Alisa hingegen wartet eine Entscheidung ihres Mannes nicht ab und begeht mit ihren Töchtern einen erweiterten Suizid.
Dido überlebt und hält das Erbe ihrer Mutter in Form von halbverbrannten Tagebüchern in den Händen, während sie und ihr Vater sich doch noch auf die Flucht gen Norden begeben, weg von den sich verschärfenden Rassentrennungen. Sie finden Unterschlupf bei einem Bekannten Abrams, der aber seinerzeit die Hochzeit Abrams mit Alisa ablehnte und die ehemals gute Freundschaft zerbrechen ließ. Auch jetzt lehnt er zunächst Unterkunft in seinem Haus für einen Mischling (Dido) ab. Dennoch erklärt er sich bereit, Abrams Farm in Kapstadt abzuwickeln und so dauert der gefährliche Aufenthalt auf unerwünschtem Terrain etwas länger. In dieser Zeit befasst sich Dido mit der Vergangenheit ihrer Mutter und bittet ihren Vater darum, auch Alisas Tagebucheintragungen zu lesen.
An diesem Punkt fing auch ich an zu verstehen, warum eine Mutter sich und ihre Kinder umbringen wollte und warum Abram Alisa zum Schluss gehasst hat. Alisas Lebenslauf zog sich über drei Kontinente und die Suche nach ihren Wurzeln sollten in Afrika ein Ende finden. Gloria, die schwarze Nanny der Kinder erkannte die Heimatlosigkeit der Seelen ihrer Herrschaft und gab zumindest Dido das Rüstzeug für das Finden einer Heimat.
Ob nun die Flucht noch gelungen ist, ob Dido und Abram ihren Frieden schließen konnten, lässt das Debüt dieser Autorin offen.

Vielmehr zeichnet dieser Roman ein feines Gespür für Traditionen und Verbundenheiten auf, die durch dumme menschliche Erlasse und Gesetze zerstört werden. Johannes (Abrams Fluchthelfer) Haltung "Afrika muss vor der Homogenität gerettet werden" (S. 333) verdeutlicht den unüberwindbaren Zaun, der ein friedliches Miteinander verhindert.

Manenzhe bietet keine Lösung, schenkt uns kein Happy End, zeigt uns aber die Seele einer wahrlich Zerrissenen, stellvertretend für den auch heute wieder erstarkenden Rassismus. Leise Nebenschauplätze von unterdrückter Homosexualität, oder dem Versuch einer neuen Weltordnung in der jungen Sowjetunion, zeugt von einem breiten Beobachtungsspektrum. Ein feines, lesenswertes Debüt!