Rezension

Zynismus vom Feinsten

Salonfähig -

Salonfähig
von Elias Hirschl

Bewertet mit 4 Sternen

Ich hatte eigentlich keinen Roman erwartet, sondern so eine Art modernen, etwas ironischen „Knigge“, war umso überraschter über die Genre-Bezeichnung auf dem Cover. Kommt davon, wenn man die Beschreibung nicht so genau liest….

Das Cover stimmt ein auf einen narzisstischen „schönen“? Mann, smart und „gebügelt“, ein wenig so, wie ich mir Dorian Gray immer vorgestellt habe. Glatte Haut, sinnliche feucht glänzende Lippen, dunkler Anzug mit weißem Hemd, strenger Kragen mit perfekt gebundener Krawatte, die linke Hand elegant angewinkelt, die rechte lässig in der Hosentasche. Schwarz, Weiß, ein wenig Gelb, gerade, sehr ordentliche strenge Print-Buchstaben, nichts, aber auch gar nichts Geschnörkeltes…

Beim Lesen des Buches wird deutlich, WIE viel Zeit auf dieses perfekte Äußere verwendet wird und auf WIE groteske Weise es gepflegt, betrachtet und gehandelt wird.

Ich habe das Buch verschlungen und war hin- und hergerissen zwischen Gruseln, Lachen und Heulen. NATÜRLICH ist das bitterste Satire, habe aber auch ein paar Seiten gebraucht, um es zu merken, und ich finde sie GRANDIOS umgesetzt.

SO lächerlich ist, wie der Protagonist mit seiner fast hündischen (Pardon, ich möchte keine Hunde beleidigen!) Anbetung und Imitation seines Vorbildes Julius sich macht, indem er seinen Aufgaben wie Blumengießen und Kaffeeholen einen Vertrauensbonus anklebt. SO ironisch, wie er in allen Äußerlichkeiten versucht, Julius Varga zu imitieren. SO zynisch die Szene mit dem Bettler…

Ich weiß nicht SO viel über die „Innereien“ der österreichischen Politik, außer dem, was man bei uns in den Medien, Nachrichten, Politsendungen so mitkriegt. Aber ich glaube, dass auch die geschilderten „Feinheiten“ NICHT sehr überzeichnet sind. Die Anspielungen auf großer Linie sind ohnehin überdeutlich. Und was solche Dinge wie die perfekte Formulierung für die angedachten Adressaten betrifft, ist wahrscheinlich so manche Partei in anderen europäischen Ländern genauso.

Mir fiel beim Lesen zum Protagonisten mehrfach das Wort "Roboter" ein. Seine Handlungsabfolgen erscheinen rein mechanisch, quasi "programmiert". Gruselig auch, wie er sich mit Frauen verhält, auch hier wird ein Programm abgespult, Buchrezensionen runter gebetet etc. ohne den kleinsten Funken Empathie.

In seiner mehr als perfekt technisierten Wohnung kennt er sich nicht aus, kommt er nicht zurecht, fast als ob es nicht seine wäre. Was sich dann auch als Wahrheit heraus stellt.

Wundervoll und SO böse die hoch gespielten Gespräche / Streitereien unter den Parteigenossen um völlig Unwichtiges, wie z.B. die Frage, in welches Lokal man jetzt zum Essen geht.

Der reale Hintergrund zum Akademikerball hat sich für mich als Nicht-Österreicherin erst später erschlossen..

Die ganze Groteske ist sehr gut beschrieben. Der Zynismus steigert sich immer weiter, viele Szenen sind regelrecht comedyreif bösartig.

Gegen Ende driftet unser Protagonist bzw. die Handlung langsam, aber sicher in völlige Verrücktheit ab. Surreal?

Für mich ist es Zynismus vom Feinsten.

Wenn man sich mit der Thematik beschäftigen mag - absolut lesenswert.