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Landkarte von Brasilien

Brasilien: Gastland Frankfurter Buchmesse 2013

Brasilien literarisch entdecken

Heute startet die Frankfurter Buchmesse und begrüßt Brasilien als Ehrengast 2013. Wir haben eine Entdeckungsreise durch die dortige Literaturszene unternommen und geben nicht nur Buchtipps, sondern verraten auch, warum Paolo Coelho beinahe gar kein Bestsellerautor geworden wäre.

Zugegeben: Es ist ja schon ein bisschen traurig, dass man sich mit einem Land erst dann literarisch intensiver auseinandersetzt, wenn es Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist - andererseits ist es aber auch eine sehr willkommene Gelegenheit mit großem Überraschungspotenzial.

Also begeben wir uns auf eine kleine Entdeckungsreise: Brasilien und die Literatur ... woran denkt man da unweigerlich? Klar: Paolo Coelho, der mit weltweit über 145 Millionen verkauften Büchern zu den zehn bekanntesten und beliebtesten Autoren überhaupt gehört.
Doch was wäre gewesen, wenn die Geschichte 1989 anders verlaufen wäre? Damals erschien „Der Alchimist" in Brasilien, Coelhos heute bekanntestes Werk, das mittlerweile in über 60 Sprachen erschienen ist und millionenfach verkauft wurde. Im ersten Jahr verkaufte es sich allerdings nur 900 Mal, weshalb es der Verlag nicht weiter verlegen wollte. Kurzerhand suchte sich Paolo Coelho einen anderen Verlag - und schon im kommenden Jahr, 1990, verkaufte sich „Der Alchimist" besser als jemals ein Buch in Brasilien zuvor.
Pünktlich zur Buchmesse ist nun eine besondere Geschenkbox im Diogenes Verlag erschienen: Die sechs erfolgreichsten Romane von Paolo Coelho im praktischen Schuber. Und eine echte Besonderheit für den Diogenes Verlag: Der Einband ist farbig!
„Geschenkbox" von Paolo Coelho

Doch es gibt natürlich nicht nur Coelho in Brasilien.
Zu den bekanntesten Autoren des Landes gehören zweifelsohne Mário de Andrade und Jorge Amado.
Ende September erschien bei S.Fischer „Zwei Geschichten von der See", das zwei der berühmtesten Werke Jorge Amados vereint. Das eigentliche Meisterwerk Amados ist jedoch „Die Werkstatt der Wunder", das 2012, zum 100. Geburtstag des verstorbenen Autors, in einer Neuauflage erschien - ein durchweg magisches und ganz besonderes Buch, das man nur wärmstens empfehlen kann.   

Auch Mário de Andrade, der bereits 1945 verstarb, wurde zur Buchmesse die Neuauflage eines sehr lesenswertens Klassikers spendiert: „Macunaíma. Der Held ohne jeden Charakter" ist im September im Suhrkamp Verlag erschienen.

Und ansonsten?!
Ein außergewöhnlich schönes Buch verbirgt sich beispielsweise hinter dem Titel „Vergossene Milch". Chico Buarque, der mit seinen Romanen nicht nur zu den bedeutendsten Autoren der neuen brasilianischen Literatur geworden ist, sondern zugleich ein berühmter Musiker in Brasilien, lässt seinen 100-jährigen Protagonisten Eulálio Montenegro d'Assumpção darin auf sein Leben zurückblicken: Von der Kolonialzeit bis in die Gegenwart - und das auf eine Weise, die niemanden unberührt lässt!

Die wichtigste Stimme der heutigen brasilianischen Literatur ist laut „O Globo" Daniel Galera, Jahrgang 1979. Zunächst hatte Galera Autoren wie Zadie Smith, Jonathan Safran Foer, David Foster Wallace und Hunter S. Thompson ins Portugiesische übersetzt und dabei bereits sein außergewöhnliches Sprach- und Erzählgefühl unter Beweis gestellt. Inzwischen hat er aber auch drei Romane geschrieben; „Flut" ist sein erstes Buch in deutscher Sprache:
Sein Vater erschießt sich, und was ihm bleibt, sind der alte Schäferhund und eine vage Sehnsucht nach Läuterung. Er bricht auf in den Süden und mietet sich in einem kleinen Ort an der Küste ein. Er findet Arbeit als Sportlehrer, lernt eine Frau kennen, unternimmt lange Wanderungen mit dem Hund, schwimmt Stunden am Stück ins offene Meer hinaus. Vor allem aber versucht er ein Familiengeheimnis zu ergründen – sein Großvater hatte in der Gegend gelebt, bis er unter ungeklärten Umständen verschwand. Doch ein empfindliches Handicap erschwert ihm die Suche, eine neurologische Erkrankung, er kann Gesichter nicht wiedererkennen. Seine Nachforschungen jedenfalls scheinen die Anwohner aufzuschrecken, Gerüchte machen die Runde, wird er bedroht? Wem kann er trauen, wenn schon nicht sich selbst und seinen Wahrnehmungen? Allmählich begreift er, dass er das gleiche Schicksal wie sein Großvater zu erleiden droht. Und plötzlich steht ihm das Wasser bis zum Hals ...

Und noch ein Tipp: In „Der Hochzeitsreis" von Francisco Azevedo blickt der Protagonist, Antonio (88), auf sein schicksalhaftes Leben zurück, während er in der Küche steht und ein großes Familienessen vorbereitet. Ein warmherziger Familienroman mit südamerikanischem Flair!

Weitere Literaturtipps:
„Die Schneiderin von Pernambuco" (Frances de Pontes Peebles)
2009, Berliner Taschenbuchverlag

„Sechzehn Frauen" (Rafael Cardoso)
2013, S.Fischer

„Hannahs Briefe" (Ronaldo Wrobel)
2013, Aufbau

„Brasilien, Brasilien"
2013, Suhrkamp

Habt ihr weitere Tipps zum Thema brasilianische Literatur? Und wie macht ihr das überhaupt: Wählt ihr eure Lektüre teilweise ganz bewusst nach dem Handlungsort oder der Herkunft des Autors aus, um ein Land oder eine Region literarisch zu entdecken?

Artikel eingestellt von: +Torsten Woywod

Kommentare

tystria kommentierte am 09. Oktober 2013 um 11:31

Warum Paolo Coelho einen solchen Erfolg mit seinen Büchern hat, wird für mich wohl für immer ein Rätsel bleiben! Und um es mit den Worten von Dennis Scheck zu sagen : "Diese weichgespülte Esoterikscheiße, die uns suggeriert, das Glück liege unter Bäumen. Da habe ich etwas Besseres. Lesen Sie Charles Bukowski. Der hat eine Seele, die ist feiner als die von Rilke und Coelho zusammen."

coala kommentierte am 09. Oktober 2013 um 11:36

Ein sehr interessanter Artikel, der das Literaturangebot Brasiliens sicher gut vorstellt. Ich wähle meine Bücher eigentlich nicht bewusst nach Ländern aus - sei es nun der Handlungsort oder der Autor. Die Handlung muss interessieren, dass ist das wichtigste. Einige der hier vorgestellten Bücher konnten jedoch sogleich überzeugen und sind ins Wunschregal eingezogen. Ich bin jetzt schon gespannt, wer sich so nach dem Buchmessen-Wochenende noch dazu gesellen wird :)

Buechertippzzz kommentierte am 09. Oktober 2013 um 11:37

Das erinnert mich daran, dass ich "Der Alchimist" immer noch nicht gelesen habe und ich schäme mich dafür. :D Es liegt hier schon eine ganze Weile auf dem Bücherstapel. Ich geh gleich mal stöbern, ob bei den Tipps sonst noch etwas dabei ist, dass was für mich wäre. :)

Lylaeleven kommentierte am 09. Oktober 2013 um 13:44

Das ist das Schöne an der Frankfurter Buchmesse: jedes Jahr lerne ich mit dem Gastland neue Autoren kennen. Leider erweitert das meine Buch-Wunschliste auch jedes Jahr explosionsartig. Paulo Coelho finde ich sehr schwierig, da ich bisher nur ein Buch von ihm gelesen habe. Die anderen Autoren sagten mir bisher nichts, aber (wie sollte es anders sein) stehen jetzt auf der Liste...

Sommerkind kommentierte am 09. Oktober 2013 um 14:52

Ich merke gerade, dass ich bis jetzt, bis auf Coelho, kaum etwas von brasilianischen Autoren gelesen habe. Da wandern gleich wieder ein paar Titel auf meine "noch zu lesen"-Liste.

Meist suche ich Bücher nicht nach Herkunft des Autors oder Handlungsort aus, die Geschichte muss mich einfach ansprechen. Manchmal kann dann aber die Tatsache, dass die Geschichte an einem bestimmten Ort spielt, dann doch dazu führen, dass ich das Buch aussuche - entweder, weil ich den Ort kenne oder bald dahin reisen werde. Oder einfach so mal etwas über diesen Ort erfahren möchte. Es ist also mal so, mal so bei mir :-)

herz2568 kommentierte am 10. Oktober 2013 um 08:03

Hr. Coelho ist mir eher fern, obwohl ich sonst schon gerne südamerikanische Autoren lese, weil sie einen besonderen Stil haben und es schaffen besondere Stimmungen zu schaffen. Brsilien als Land finde ich auch sehr reizvoll und hoffe es auch irgendwann einmal zu bereisen. Vorab werde ich mir einige Autoren einmal auf die "Merkliste" setzen ....Danke für die Tipps!