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Frau sitzt mit einem E-Reader am Frühstückstisch

E-Reading

Ich lese was, was Du nicht siehst ...

Wo früher ein Blick auf die Lektüre des Bus- oder Bahn-Sitznachbarn ausreichte, um sich ein umfassendes Bild von ihm zu machen, sind die heutigen E-Reader so etwas wie die natürlichen Feinde eines jeden Hobbypsychologen und erschweren es, den Leser zu 'lesen'.

„Zeig' mir, was Du liest und ich sage Dir, wer Du bist" war früher mein liebstes Gedankenspiel in Bus und Bahn. Entgegen aller Vorurteile ist es nun zwar beileibe nicht so, als würde grundsätzlich weniger gelesen, Fakt ist aber: es wird anders gelesen. Ob auf dem Smartphone, dem Tablet oder dem E-Book-Reader ... Lesen wird zunehmend digital.
 
Das hat in vielerlei Hinsicht natürlich auch seine Vorteile, ändert aber nichts an der Tatsache, dass E-Reading doch irgendwie 'unfair' ist. Oder, etwas poetischer ausgedrückt: E-Reader erschweren es, den Leser zu lesen.
Ein wenig fühle ich mich dabei sogar in die Schulzeit zurückversetzt: Damals gab es bei uns nämlich das Phänomen, dass sich der Klassenbeste partout nicht in seine Klausuren gucken lassen wollte und sich zu diesem Zweck stets hinter mehreren Aktenordnern verbarrikadierte ... ;-)
 
Und genau diese Frage stellt sich auch hier: Wird der E-Reader von Bahnreisenden wirklich nur deshalb genutzt, weil er Gewicht spart und auch ansonsten so furchtbar komfortabel ist - oder möchte man sich nicht in die Karten bzw. die Lesevorlieben gucken lassen?
 
Beispiel: Eine Frau, Mitte 40, hochgeschlossenes Kostüm, dezentes Make-Up. Vermutlich eine Top-Managerin auf dem Weg zum nächsten Geschäftsessen (zugegeben: in diesem Fall würde sie nicht zwangsläufig mit der Bahn fahren). Sie liest - aber was? Ist es die „Große kommentierte Frankfurter Ausgabe" von Thomas Manns Gesamtwerk? Oder womöglich doch „Shades of Grey - Geheimes Verlangen"?
 
Wo früher ein amüsiertes Grinsen, ein anerkennendes Nicken oder schlichtweg eine breite Grundsympathie war, wabert heute nicht mehr als eine große Spekulationsblase durch das Abteil.
 
Oder gehen wir noch einen Schritt weiter: Stell' Dir vor, Du fährst täglich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule/Uni/Arbeit. Nach wenigen Wochen bemerkst Du, dass ein ganz sympathischer Junge oftmals dieselbe Bahn nimmt und Du beginnst unbewusst damit, Informationen über ihn zu sammeln. Würde er Bücher in gedruckter Form lesen, wüsstest Du sofort, woran Du bist und könntest - bei Gefallen - zufällig mal ein selbstgestaltetes Lesezeichen mit Deiner Telefonnummer fallen lassen ... aber bei einem 'E-Reader'?! ;-)
 
Ernsthaft: Habt ihr euch auch schon einmal dabei ertappt, wie ihr anderen auf die Lektüre schaut, um herauszufinden, ob ihr das Buch kennt? Und was war der ungewöhnlichste Titel, der euch dabei begegnet ist?

Achso, und wo wir schon dabei sind: Was lest ihr bevorzugt? Digital oder Print?

Artikel eingestellt von: +Torsten Woywod

Kommentare

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Jenny88 kommentierte am 21. März 2014 um 12:06

Klar, ich schaue auch immer, was andere so lesen :-)! Ist doch immer wieder interessant und gerade im Urlaub am Strand wird viel gelesen und da guck ich mir die Bücher immer gerne an ;-)! Und wenn man mal über Bücher ins Gespräch kommt, ist das doch auch toll!

Ich bevorzuge nach wie vor die gedruckten Bücher! Das Gefühl ein Buch in der Hand zu haben, darin zu blättern, daran zu riechen, es signieren zu lassen etc. ... das kann einem ein ebook einfach nicht geben und bieten! Ich hab zwar nen Kindle, aber den benutze ich mehr als selten. Hab da jetzt in über 1 Jahr 8 Bücher drauf gelesen. Im Urlaub ganz praktisch (da ich bei einer Woche Urlaub 10-15 Bücher mitnehme), aber das war's auch schon. Außerdem sehe ich nicht ein, warum ich für ein ebook teilweise den gleichen Preis zahle, oder eben nur nen Euro weniger! Da bleibe ich doch lieber bei der guten, alten Printausgabe :-)! 

Dani kommentierte am 21. März 2014 um 20:07

Ich muss mich outen, ich habe auch einen Ebookreader und gebe somit auch keinen Einblick mehr in mein Leseverhalten. Allerdings kann ich mich auch nicht ganz von richtigen Büchern trennen und neige doch immer wieder dazu zu einem normalen Buch zu greifen.

Auch wenn ich selbst nicht mehr unbedingt offen zeige was ich lese, ich bin immer super neugierig, was so meine Mitmenschen in der Bahn lesen. Das regt manchmal schon dazu an, sich ein Buch zu holen. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich jemanden entdecke, der gerade das gleiche Buch liest wie ich. Es wäre schon schade, wenn das ganz verschwinden würde. Aber mitlesen, wenn der Sitznachbar in ein Buch vertieft ist und man selbst gerade kein Buch mit hat geht ja auch bei Ebooks. ;-)

Estha kommentierte am 23. März 2014 um 07:14

mir geht es wie vielen: ich möchte auch gerne wissen, was mein Gegeüber denn so liest? Man möchte doch gerne wissen, ob man das Buch kennt, ob man evt. das auch schon gelesen hat oder hört sich der Titel so interessant an, dass ich es mir unbedingt merken muss. Allerdings bei einem E-Book sieht man es leider nicht, was jemand liests. Auf die Idee, dass es auch vorteilhaft sein kann, dass nieman mitbekommt, was ich gerade lese, bin ich ehrlich gesagt, gar nicht gekommen. Erst als ich den Artikel las. Was ich aber selbst noch am liebsten lese: print oder digital, so sind meine Vorlieben noch absolut klar: ein herkömliches Buch ist mir immer noch lieber ;-)

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