Rezension

Den Tätern vergeben?

Die verschwiegenen Jahre -

Die verschwiegenen Jahre
von Cathy Gohlke

Hannah Sterling ist 27 Jahre alt und lebt in den Vereinigten Staaten. Der kürzliche Tod ihrer Mutter belastet sie, nicht weil die beiden Frauen sich so nahestanden, sondern weil Hannah nie verstehen konnte, warum es kein vertrautes Verhältnis zwischen ihr und ihrer Mutter gab. Und nun, mit dem Tod der Mutter, ist es zu spät, daran etwas zu ändern. Wenn sie wenigstens verstehen könnte, was in ihrer Mutter vorging.

 

Als sie wegen dieser inneren Belastung als Lehrerin freigestellt wird, sucht sie nach Antworten. In den Unterlagen ihrer Mutter findet sie eine Adresse in Berlin. Hannah ist überrascht, als sich herausstellt, dass sie einen Großvater in Deutschland hat, wurde ihr doch immer gesagt, dass ihre Mutter keine lebenden Angehörigen mehr hat. Sie wagt es und fliegt nach Berlin.

 

Auch beim Großvater erlebt Hannah anfangs Distanziertheit und Kälte. Dazu scheinen alle, die mit der Familie verbunden sind, sorgsam irgendwelche Geheimnisse zu hüten. Koste es, was es wolle, Hannah will nun wirklich wissen, wer ihre Mutter war.

 

Ein zweiter Erzählstrang verfolgt die Geschichte von Lieselotte, Hannahs Mutter, ab der Kristallnacht im November 1938. Mutter und Vater vermitteln ihr im beginnenden Nazi-Reich unterschiedliche Werte. Als ihre Mutter stirbt, ist das junge Mädchen dankbar für die Unterstützung einer befreundeten Familie. Sie darf sie auch zu den Gottesdiensten der Bekennenden Kirche begleiten. Das sieht ihr Vater zwar nicht gern, aber er hatte Lieselottes Mutter auf dem Sterbebett versprochen, es ihr zu erlauben. Lieselotte setzt sich bald im Verborgenen für das ein, was ihr wichtig ist. Sie folgt ihrem Herzen und begibt sich damit in große Gefahr.

 

Abwechselnd wird in diesem Buch von Hannah und von Lieselotte erzählt. Beide Erzählstränge greifen ineinander und ergänzen sich. Das macht die Erzählung sehr spannend. Es fällt schwer, mit dem Lesen aufzuhören.

 

Lieselottes traurige Liebesgeschichte berührt das Herz. Die Schrecken während der Naziherrschaft werden so gut wiedergegeben, dass es stellenweise schwerfällt weiterzulesen. Interessant ist vor allem die Darstellung ethischer Entscheidungen in dieser Zeit, und der Wunden, die viele Jahre später bleiben.

 

Das wichtigste Thema in diesem Buch ist die Frage nach Schuld; nach schwerer Schuld, die nachkommende Generationen belastet. Können solch große Sünden der Väter vergeben werden?

 

Fazit: Ein spannendes Buch über die Judenverfolgung im Dritten Reich, Familiengeheimnisse, den Umgang mit Schuld und der Kraft der Vergebung. Sehr empfehlenswert!