Rezension

Graphic Novel über den Holocaust mit Fantasy-Elementen

Fenster in der Nacht -

Fenster in der Nacht
von Neal Shusterman

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Graphic Novel über den Holocaust aus dem Fantasy-Bereich? Das klingt irgendwie schräg. Und ja, irgendwie ist Neal Shustermans Graphic Novel „Fenster in der Nacht“ schräg, anders als erwartet.

Als Graphic Novel über die Zuversicht im Holocaust präsentiert der Loewe-Verlag selbst das Buch. Das trifft es aber nicht wirklich, was Neal Shusterman mit seinem Buch will. Schließlich sind es ganz und gar utopische Geschichten, die er in „Fenster in der Nacht“ präsentiert. Da gibt es das magische Fenster, das den Weg in eine andere Welt öffnet, und das auch mal verschwinden kann. Da gibt es Märchenfiguren im Wald, die plötzlich für die Rettung tausender Juden sorgen. Und nicht zuletzt hat ein Mädchen die Möglichkeit, zwischen der jetzigen Welt und einer Parallelwelt, in der der Holocaust nicht stattgefunden hat, zu wechseln.

Als Geschichten, die tragisch und triumphal zugleich sind, bezeichnet Shusterman selbst die fünf Geschichten von „Fenster in der Nacht“. Tragisch, weil es nur Träume wundersamer Rettungen sind, triumphal aber, weil in ihnen Mitgefühl und Tapferkeit zur Sprache kommen.

Wozu aber diese Rettungsversuche aus dem Reich der Fantasie? Sicherlich ist es zunächst einmal eine Flucht vor der Realität: Es kann doch nicht wahr sein, was da passiert ist. Zugleich ist es aber auch der Hinweis darauf, wo Rettung möglich war. So liefert das Buch auch Zahlen zu Fluchtversuchen aus Konzentrationslagern. Nicht zuletzt ist es der Versuch zu zeigen, was möglich gewesen wäre – auch wenn es genauso unvorstellbar wie der Holocaust selbst ist.

Schwer zu beantworten ist die Frage, an wen „Fenster in der Nacht“ gerichtet ist. An Jugendliche sicherlich auch, aber nicht nur und vielleicht auch gar nicht in erster Linie. Denn ein wenig Hintergrundwissen über das Dritte Reich und die Judenvernichtung braucht es, um das Buch zu verstehen, auch wenn es immer wieder Hintergrundinformationen zur Judenverfolgung liefert. Es braucht aber Wissen um die Shoah, um darüber nachdenken zu können, warum Baba Jaga plötzlich auftaucht und Juden rettet.

Sehr gelungen sind die in Schwarz-Weiß gehaltenen Illustrationen von Andrés Vera Martínez.