Rezension

Zum Schreien komnisch, ein typischer Jaud

Hummeldumm - Tommy Jaud

Hummeldumm
von Tommy Jaud

Bewertet mit 5 Sternen

DIE FIGUREN:

Matthias „Matze“ Klein aus Köln, Enddreißiger, der sich nach einem stressigen Projekt endlich auf den gemeinsamen Urlaub mit Freundin Sina freut, eine „Zwischen Sand und Seidenkissen“-Tour durch Namibia.
>>> „Ich schreibe diese Zeilen auf dem Rückflug von Windhoek nach Frankfurt. Wenn ich wieder zu Kräften gekommen bin, werde ich versuchen, mich an alles zu erinnern. Aber jetzt muss ich schlafen. Vielleicht noch eine Kleinigkeit: Es waren die schlimmsten zwei Wochen meines Lebens.“

Sina, Matzes Freundin, die sich schon total auf die von ihr gebuchte Reise freut und noch viel mehr auf die neue Eigentumswohnung, die nach dem Urlaub bezogen werden soll.
>>> „Sina hatte die beiden ohnehin nicht gesehen, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, Eselsohren in ihren Ikea-Katalog zu knicken. Es mussten mindestens 100 Eselsohren sein mittlerweile, und ich fragte mich, ob sich die für unsere Wohnung in Frage kommenden Möbel nun auf den Seiten mit oder ohne Knick befanden.“

Der Fremdenführer Bahee, der mit seine selbstgelernte Deutsch und weil er Geduld hat wie Giraffe für Matze wird wie Fels in Brandung, ne.
>>> „Schon jetzt war offensichtlich: Bahees Deutsch war ebenso breit wie sein Lächeln. Sina reichte ihm freundlich die Hand und wiederholte unsicher seinen Namen.
‚Baheene?’
‚Nee, nur Bahee, ne. Die ne sag ich immer nur so, der is so eine Sprachdings von mir da immer, ne!’“

Yuppie-Pärchen Max Breitling und Brenda Schiller, er ein Immobilienmakler mit einem kleinen Alkoholproblem, sie eine hohle Wetterfrau, die für jede Menge Augenverdreher sorgt.
>>> „Der Mann war eine grandiose Mischung aus verzweifeltem Trucker und alterndem Schlagersänger, ich schätzte ihn auf Mitte 50. Neben ihm stand seine herausgeputzte brünette Trulla in schwarzer Lederhose und grinste wie ein Floh auf Speed. (…) Sina und ich, wir machten Urlaub mit einem Düsseldorfer Schampusschnösel und der dümmsten Wetterfrau Deutschlands! Davon stand nichts im Prospekt, zumindest nicht auf Seite 1.“

Der betagte Herr Seppelpeter aus Franken, dessen Gesicht dank seiner Kamerawut fast nie zu sehen ist und dessen Wortschatz sich meist auf „Naaa!“ und „Winkamal!“ beschränkt.
(Nett finde ich, dass mit dem alten Seppelpeter eine Figur aus dem Roman „Resturlaub“ auftaucht, wobei ich schon ein wenig gebraucht habe, bis ich das bemerkte.)
>>> „Ein kompakter, wirklich sehr alter Rentner mit rot-weißem Wanderhemd und Videokamera vor dem Auge schnaufte durch die Tür wie eine Dampflok. Ungebremst krachte er in das nur hüfthohe Geländer, verlor das Gleichgewicht und klatschte mit einem lauten ‚Naaaaaaa!’ auf den Steinboden der anderen Seite, wo er regungslos verharrte wie ein Marienkäfer nach einem Stromschlag.“

Das österreichische Ehepaar Gruber mit dem pensionierten Witz-Professor, der die Gruppe mit seinen Scherzen und Gedichten in den Wahnsinn treibt, und die grantige Gruberin, die mit ihrer teils recht garstigen Art Matze derart provoziert, dass er … aber lest selbst, was er mit ihrem Rucksack anstellt. ;-) Zudem ist sie Erzfeindin Nr. 1 in der ihm so verhassten Gruppe, da sie sich den einzigen Adapter geschnappt hat und ihn nicht freiwillig herausrücken wird.
>>> „Er: mindestens 60 mit grauem Vollbart, dicker Brille und speckigem Lederwanderhut. Sie: ein bisschen jünger, kurze graue Haare und mit einem winzigen, rosinenhaften Gesicht, in dessen Falten ein mäßig talentierter Bildhauer die schlechte Laune von mindestens fünf Jahrzehnten gekloppt hat.“

Der abstinente Sportler Kevin Schnabel, der selbst in der Wüste nicht auf sein Workout verzichten kann und Freundin Sina ein bisschen zu nah kommt für Matzes Geschmack.
>>> „Neugierig blickte ich zu unserem Guide Bahee, neben dem inzwischen ein muskulöser Weißer in einem blauen Poloshirt stand. Auf dem rasierten Schädel klemmte eine riesige Sonnenbrille, die ihn wie einen italienischen Profikicker wirken ließ.
‚Gehört der schon zu uns?’, frage ich fast ein wenig ängstlich.
‚Ich hätte nichts dagegen’, schmunzelte Sina.“

Der „Erdbeerigel“ Trixi, aus der Schweiz, aber eigentlich aus Hannover, der Oberschussel der Truppe.
>>> „Die offenbar elastische Wanderhose fast bis zu den Brüsten gezogen, trug der Erdbeerigel ebenfalls ein Pappschild mit der Aufschrift Zwischen Sand und Seidenkissen, über das Bahee sich halb totlachte. Ich lachte nicht. Stattdessen fragte ich Sina, was sie so grundsätzlich von Mallora hielt.“

>>> „Sina bitte! Schau dich doch mal um! Mit solchen Leuten fährt man nicht durch Afrika. Mit so einer Truppe dreht man ne Dokusoap für RTL 2!“
Und zahlreiche Nebencharaktere natürlich wie div. Angestellte in Hotels und Restaurants, die der verzweifelte Protagonist mit seiner Suche nach Kommunikationsmöglichkeiten zur Außenwelt auf Trab hält, das etwas zu zutrauliche Wildschwein Otti und das putzige Erdmännchen Carlos, dem allerdings die Begegnung mit der skurrilen Gruppe zum Verhängnis wird. Dazu die schöne Landschaft Namibias, die der Leser kennenlernt.

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DIE HANDLUNG:

Matze und Sina freuen sich auf ihren Urlaub in Namibia. Doch schon am Flughafen, als so nach und nach die Teilnehmer der 9köpfigen Reisegruppe eintrudeln, stellt Matze fest, dass es ein Fehler war, Sina die Urlaubsplanung komplett zu überlassen. Dass sie eine Pauschalreise mit vollem Programm und über 80h Fahrtzeit in 10 Tagen gebucht hat, ist schon schlimm genug. Doch was sich da bei Fremdenführer Bahee zusammengefunden hat, noch viiiiel schlimmer.
Matze würde am liebsten sofort zurückfliegen, da er sich nicht vorstellen kann, mit diesen Leuten die nächsten zwei Wochen verbringen zu müssen. Er ahnt schon das Schlimmste – dieser Urlaub wird eine Katastrophe werden! Und tatsächlich geht ihm die Gruppe schon nach kürzester Zeit ganz gehörig auf die Nerven!

Und zu allem Übel muss er auch noch feststellen, dass er etwas sehr sehr Wichtiges vergessen hat zu erledigen vor dem Urlaub. Nun also muss er sich dringend auf die Suche nach Handynetz, Adaptern und Internet machen, bevor er noch seine Beziehung aufs Spiel setzt! Doch genau das passiert, als er seiner Freundin das Problem verschweigt und dafür ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legt, die Gruppe ganz schön aufmischt und immer mehr die Kontrolle über alles verliert, so dass der geplante Traumurlaub total aus dem Ruder läuft.
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MEIN FAZIT:
Die Story ist einfallsreich und sehr unterhaltsam geschrieben. Ich musste an vielen Stellen laut lachen, was ich ganz ehrlich selten tue beim Lesen. Doch die Charaktere und die Handlungsabläufe sind teilweise so verrückt und skurril, dass man nicht mehr an sich halten kann. Genervt war ich allerdings schon anfangs davon, dass der Protagonist nicht einfach ehrlich mit seiner Freundin über das Problem spricht, sondern sich durch sein komisches Verhalten nur noch sukzessive tiefer in die Sch… reitet. Aber das macht ja auch den Witz des Buches aus, alles Andere wäre wohl langweilig gewesen. ;-)

Die Charaktere sind gut wiedergegeben, man kann verstehen, wieso Matze Pepi Gruber am liebsten in der Wüste aussetzen und dessen Frau die Gurgel umdrehen würde, man schüttelt den Kopf über Trixis Schusseligkeit und Brendas Dummheit, fühlt den Neid auf „Gilette“-Kevin und Matzes Verzweiflung auf der Jagd nach Adapter und Handynetz.
Lieb gewonnen habe ich v. a. den Führer Bahee, der auch bei jedem noch so blöden Vorurteil die Ruhe bewahrt, immer gut drauf ist und einen lustigen Spruch auf den Lippen hat.
Witzig finde ich v. a. die Grubers mit ihrem Wiener Schmäh, einfach weil ich diesen Dialekt furchtbar gerne höre und er in dem Buch wirklich gut wiedergegeben ist, genau so wie der fränkische, aber leider ist der alte Seppelpeter ja eher ein wortkarger Typ. Bis auf den starken Akzent von Bahee werden alle anderen in der Gruppe auf Hochdeutsch wiedergegeben, wenn man mal von dem häufigen thürinigschen „No.“ (= „Ja.“) von Kevin Schnabel absieht.

Das Buch liest sich angenehm und ziemlich zügig durch. Der Autor gebraucht jede Menge herrlicher Metaphern, die mir so noch nie begegnet sind. ;-)
Wer kurzweiligen, unterhaltsamen, nicht sonderlich anspruchsvollen Lesespaß sucht, liegt mit diesem Buch genau richtig. Ich kann es wärmstens empfehlen!