Rezension

erstaunlich aktueller Campusroman von 1999

Janes Roman -

Janes Roman
von Catherine Cusset

Bewertet mit 4 Sternen

Jane Cook arbeitet als Professorin für Romanistik an einem kleinen College nördlich von New York. Sie trägt wie nahezu jeder amerikanische Akademiker die hohe Schuldenlast ihres Studienkredits und arbeitet an einem Buch über Flaubert. Als ihr ein Paket mit einem Buchmanuskript zugeschickt wird, ist sie schockiert. Der 360-Seiten-Roman beschreibt in allen Details ihr Leben, das zunächst wie die banale Aneinanderreihung ihrer Liebesbeziehungen und Affären wirkt. Da Jane offenbar freizügig allen alles zu erzählen pflegt, denkt sie zunächst an Eric Blackwood als Verfasser, ihren Ex-Ehemann, oder doch eher an Norman Bronzino, ihren älteren Fachbereichsleiter vom Typ Landedelmann? Die Zahl ihrer Liebhaber ist beeindruckend, doch auch Frauen hat Jane sich anvertraut. Würde sie die Person anhand von sprachlichen Marotten oder Irrtümern entlarven können?

Im Wechsel von Romanmanuskript und allwissendem Erzähler gibt Claire Cusset Einblick in die Arbeit einer jungen Professorin, die Anfang der 90er in einer Kleinstadt „ohne soziales Leben“ bereits am Beginn ihrer Karriere die gläserne Decke spürt, die in männlich dominierten Fachbereichen Frauen am Aufstieg hindert. Für ihre Bewerbung um eine Professur benötigte Jane eine Buchveröffentlichung, die jedoch am übersättigten Fachbuch-Markt zu scheitern schien. Wird Jane in einer Kleinstadt als Ehefrau und Mutter enden, während das Old Boys Network die Professoren-Stellen unter sich aufteilt? Rückblickend wird sie sich fragen, ob sie ihre Karriere nicht  besser durch sexuelle Dienstleistungen an Vorgesetzte beschleunigt hätte. Hochinteressant fand ich besonders die Besetzung der Nebenfiguren als Trostspender:in, Beichtvater/-mutter, Profiteur:in oder Verteidiger:in klassischer Rollenmodelle. Die anfängliche Reihung von Affären konnte mich erst spät fesseln, schien sie mir mit Focus auf mittelalte Geisteswissenschaftler als Bettgefährten zu banal. Eben dieser Focus könnte Jane jedoch den Autor des kompromittierenden Papierstapels verraten …

Claire Cusset erzählt als Insiderin aus dem Berufsleben junger Wissenschaftlerinnen, über männliche Netzwerke, Diebstahl geistigen Eigentums durch Vorgesetzte, die tägliche Angst auf der Straße vor männlicher Gewalt  – und das bereits 30 Jahre vor der MeToo-Bewegung!

Ein erstaunlich aktuelles Buch, im Original 1999 (deutsch 2001) erschienen, das aus heutiger Sicht völlig neu zu lesen ist. In der deutschen Übersetzung im Eisele-Verlag offenbar unverändert nachgedruckt, wirkt der Roman  (u. a. durch die Als-Wo-Schwäche und Dialektgebrauch) mangelhaft lektoriert.

 

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ältere Ausgaben

M von Schröder 2001 (978-3547719550)

Ullstein 2002 (978-3548253947)