Rezension

Demokratie leidvoll erstritten!

Die wichtigste Insel der Welt -

Die wichtigste Insel der Welt
von Klaus Bardenhagen

Bewertet mit 5 Sternen

Kurzmeinung: Taiwans Geschichte kann einen fertigmachen.

Seit über 15 Jahren lebt der Journalist Klaus Bardenhagen auf Taiwan. Taiwan heißt – zum Leidwesen Taiwans – historisch bedingt gar nicht Taiwan, sondern muss sich „Volksrepublik China“ nennen (lassen) und wenn es hochkommt, darf es noch hinzufügen „of Taipei“, also „Volksrepublik China of Taipei“. Im Volksmund ist Taiwan jedoch als Taiwan bekannt, früher Formosa genannt. Die internationalen Komplikationen fangen bei dem kleinen Inselstaat (so klein nun auch wieder nicht, mit einer Fläche von 36.000 Quadratkilometern und etwa 24 Mio Einwohnern) also schon bei der Namensgebung an. Der Staat würde sich gerne Taiwan nennen. Und warum geht das nicht? Weil China, das nicht will! Denn ist Taiwan ein eigenständiger Staat? Ja eigentlich. Aber.
Taiwan erlebte eine grausame und leidvolle Geschichte, die Insel war fast immer okkupiert, hat sie doch eine brisante geographische Lage. Niederländer, Portugiesen, Japaner und Chinesen wechselten sich als Kolonialmächte ab, sie gaben sich sozusagen die Klinke in die Hand. Besatzung bedeutet: Gewalt, Willkür und unzählige Menschenopfer. Von der Ausbeutung der Natur ganz zu schweigen.
Taiwan hat nicht immer zu China gehört, sagt der Autor, wie China es gerne behauptet, das sich die ihrem Staatsgebiet vorgelagerte Insel gerne einverleiben würde. Taiwan hat sich indes – wie Hongkong seinerzeit – ganz anders entwickelt als das autokratische China, es ist eine moderne Demokratie geworden. Freilich hat diese Demokratie ihre eigenen hausgemachten Probleme.
Die strategische Bedeutung, welche Taiwan für die USA und Japan hat, ist uns hier in Europa nicht richtig bewusst. Wir sind zu weit weg. Aber nicht weit genug, denn abhängig von Taiwan sind wir indirekt auch. Taiwan ist führend in der Halbleiterindustrie und in der Chipproduktion. Die USA und andere mit ihr Handel treibenden Geschäftspartner haben Taiwan dazu gezwungen, angesichts der realen Bedrohung durch China, ihre Halbleiterproduktion teilweise auszulagern, so ist auch in Dresden ein entsprechendes Werk entstanden, freilich ein technologisch nicht so hochwertiges wie in Japan und wie diejenigen in den Staaten. Trotzdem ist Taiwan in der Entwicklung bisher immer einen Schritt voraus.
Geschichte, Lage, Bevölkerung, Entwicklung - das alles, plus sämtliche diplomatischen Verwicklungen um Taiwan – um nicht zu sagen, den diplomatischen Eiertanz, denn niemand ist daran gelegen, Taiwan chinesischen Händen zu überlassen, erzählt und erklärt Klaus Bardenhagen sachlich, aber doch mit viel Empathie in seinem Buch „Die wichtigste Insel der Welt“. Gefühlsmäßig würde die Rezensentin zwar sagen, „ist das nicht Sylt?“, aber hier muss es sich wohl um ein Missverständnis handeln. Die Medien, sagt der Autor zurecht, sind in ihrer Berichterstattung unausgewogen, sie nehmen Taiwan nur in Bezug auf Chinas Drohgebärden war: aber Taiwan ist viel mehr. 

Fazit: Um den diplomatischen Eiertanz, auch Deutschlands, um Taiwan zu verstehen, ist es eigentlich unumgänglich, sich mit Bardenhagens sachkundigem Plädoyer für die Insel zu beschäftigen. Bardenhagen macht auch Reportagen über Taiwan im Fernsehen. 

Kategorie: Sachbuch: Politik + Geografie
Verlag: Herder, Juni 2024

Kommentare

Emswashed kommentierte am 29. Juli 2024 um 09:00

Um den Konflikt um Taiwan wahrzunehemen, reicht es auch mit zwei Technikfreaks zusammenzuleben... wären die Chips nicht, hätte der "Westen" diese Insel überaupt nicht auf dem Schirm. Wir haben nur ignoriert, dass China an dieser Technologie auch hoch interessiert ist.

Mensch Wanda, Du bist ganz schön global unterwegs.