Rezension

Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, suchen in den herausfordernden 1930er-Jahren in der Provence ihr Glück

Unter der Sommerlinde von Gourdon -

Unter der Sommerlinde von Gourdon
von Susanne Morel

Bewertet mit 4 Sternen

Da ich gerne historische Romane über starke Frauen lese, war ich sehr gespannt auf diesen Roman. Das Setting in der Provence der 1930er-Jahre sprach mich besonders an, da ich über diese Zeit noch nicht viel gelesen habe. Gemeinsam mit Manon und Estelle, zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, unternahm ich eine wunderbare, spannende und teilweise auch dramatische Reise nach Frankreich vor dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Buch durfte ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks lesen.

Darum geht's in »Unter der Sommerlinde von Gourdon«:

»Provence, 1935. Manon lebt für ihren Beruf als Krankenschwester. Ihre engagierten Bestrebungen finden bei ihren Vorgesetzten nicht immer Zustimmung. Unweit des Anwesens ihrer Eltern trifft sie eines Abends auf Léandre, der dort eine Kräuterfarm bewirtschaftet. Umgeben vom würzigen Duft seiner Rosmarin- und Thymianfelder, erlebt sie ihre Heimat völlig neu. Als Manon unerlaubt einen todkranken deutsch-jüdischen Jungen ins Krankenhaus schleust, kommt es zum Skandal, und sie wird aus dem Dienst entlassen. Ihre hart erarbeitete Unabhängigkeit scheint in Stücke zu zerfallen. Doch dann bietet sich ihr eine Gelegenheit, die alles verändern könnte, und Manon drängt sich die Frage auf, wie weit sie bereit ist für ihren Traum zu gehen.«

Original-Klappentext

 

Meine Meinung:

Schon im Prolog, der einige Jahre vor der eigentlichen Handlung spielt, werden wir Leser*innen mitten in die Geschichte hineingeworfen. Es brauchte nur ein paar Seiten, da hatte mich das Buch schon gepackt. Den Schreibstil der Autorin empfand ich als sehr angenehm und flüssig. Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, vor allem aus der Sicht der beiden Schwestern Manon und Estelle.

Obwohl sie in derselben Familie aufgewachsen sind, wird schnell klar, dass Manon und Estelle unterschiedlicher nicht sein könnten. Manon, die in ihrem Beruf als Krankenschwester völlig aufgeht, war mir mit ihrer freundlichen, hilfsbereiten und selbstbewussten Art sehr sympathisch. Sie tut alles, um das Leid der ihr anvertrauten Patientinnen und Patienten zu mildern, und verliert dabei niemals ihre Menschlichkeit. Ihr grosses Engagement, das teilweise über ihre Kompetenzen hinausgeht, stösst nicht überall auf Verständnis - entsprechend hat sie mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Dennoch lässt sie sich nicht unterkriegen und gibt niemals auf.

Estelle hingegen wirkt zu Beginn des Buches stark von den Erwartungen und Wünschen ihrer Mutter beeinflusst. Sie möchte ihr alles recht machen - das bedeutet auch, die bestmögliche Partie zu machen und nach der Hochzeit mit einem angesehenen und reichen Herren ein sorgloses und sicheres Leben führen zu können. Tatsächlich sieht es bald so aus, als könnte Estelle den grössten Wunsch ihrer Mutter erfüllen, als sich ein junger Arzt für sie interessiert. Gleichzeitig bemerkt Estelle jedoch immer öfters, dass dieses Leben nicht ihren eigenen Vorstellungen von Glück entspricht - und sie beginnt langsam, aber sicher, für sich und ihre Träume einzustehen. Die Entwicklung, die sie im Verlaufe des Romans durchmacht, war beeindruckend.

Auch die Nebencharaktere, inbesondere die Eltern von Estelle und Manon, aber auch Léandre, der Besitzer einer Kräuterfarm und sein Freund Mathis werden authentisch und interessant dargestellt. Vor allem die Beziehungen innerhalb der Familie von Manon und Estelle werden vielschichtig beleuchtet, was ich sehr spannend fand - z.B. mit dem Vater als Manons Unterstützer und Estelle als »Marionette« der Mutter. Durch die Bekanntschaften der Schwestern mit Léandre und Mathis werden sie vor neue Herausforderungen gestellt, erhalten frische Denkanstösse und finden sogar die grosse Liebe - ein prägender Teil dieses Romans.

Neben der Liebe, der Familie und der Freundschaft spielt in diesem Roman auch die Stellung der Frau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Durch Manon und Estelle wird die Zerrissenheit zwischen den Frauen in dieser Epoche gut dargestellt - eine, die vollkommen auf ihren Beruf setzt und von einem Studium träumt, was damals nur wenigen Frauen gelang; und die andere, die durch einen guten Fang ein sicheres Leben als Ehefrau und Mutter, aber ohne Leidenschaft und Eigenverwirklichung leben möchte. Daneben geht es auch um prägende Ereignisse in der Vergangenheit, medizinische Themen, historische Ereignisse wie die Judenverfolgung und die Politik der 1930er-Jahre in Frankreich. Während des Lesens konnte ich viel Neues dazulernen, gleichzeitig wurde ich gut unterhalten und habe mit den beiden Schwestern mitgefiebert. Auch die eine oder andere spannende oder dramatische Szene war dabei.

 

Fazit:

»Unter der Sommerlinde von Gourdon« ist ein Roman, der das Leben von zwei komplett unterschiedlichen Schwestern in der Provence der 1930er-Jahre beleuchtet. Sind sich die beiden zu Beginn der Geschichte noch völlig fremd, wachsen sie durch die verschiedenen Herausforderungen und Begegnungen, die ihr Leben nachhaltig prägen, langsam, aber sicher immer mehr zusammen. Die berührende, spannende und teilweise dramatische Geschichte, die mich gut unterhalten konnte, hat vier Sterne verdient.