Rezension

Beeindruckende Graphic Novel

Briefe aus Taipeh -

Briefe aus Taipeh
von Fish Wu

Bewertet mit 5 Sternen

„...Je härter die Zeiten, desto weniger darf man sich unterkriegen lassen...“

 

Dieser Satz trifft an vielen Stellen auf das Geschehen zu, das uns der Autor erzählt. Es ist einerseits die Geschichte seiner Vorfahren, andererseits wird aber auch ein dunkles Kapitel chinesischer Geschichte lebendig.

Die Graphic Novell besticht durch die aussagekräftigen Bilder. Zwar sind die Zeichnungen nur in Schwarz-Weiß, nichtsdestotrotz geben sie das Geschehen in allen seine Facetten gekonnt wieder. Es sind eben nicht nur Strichdarstellungen, sondern bis ins Detail fein ausgearbeitete Illustrationen. Dadurch zeigen sie sogar Entwicklungen auf und drücken Dinge aus, die ich mir nie hätte bildlich vorstellen können. Ich denke dabei an die Szenen, wo das Vergessen der Großmutter thematisiert wird.

Die Texte sind schmückendes Beiwerk. Das ist nicht abwertend gemeint, sondern soll ausdrücken, dass sie kurz und prägnant den Bildinhalt auf den Punkt bringen.

Worum geht es nun? Im Prolog erlebe ich die Beerdigungen der älteren Generationen. Die letzte findet 2012 statt. Jetzt ist die Großmutter die Älteste. Die Enkel haben Fragen zur Ehe der Großeltern und bekommen sie auf den folgenden Seiten beantwortet.

Es war der Spätherbst des Jahres 1948, als es in China zur Landreform kam. Der Vater des jetzigen Großvaters war Lehrer und wollte sich aus dem politischen Gegebenheiten heraushalten. Doch man beschuldigte ihn, zur herrschenden Klasse zu gehören. Während er in China blieb, floh sein Bruder nach Taiwan. Für die Familie beginnen harte Zeiten. Mehr möchte ich nicht sagen. Das muss der zukünftige Leser auf sich wirken lassen.

Erst 47 Jahre später kommt der Bruder zu einem Besuch zurück. Mittlerweile hatte sich China geöffnet und erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung – mit allen damit verbundenen Schattenseiten. Er trifft seinen Bruder nicht mehr lebend an. Kurz danach stirbt auch er auf Taiwan und die Verbindung bricht wieder ab.Mir gefällt, dass in den kurzen Texten manche Lebensweisheit enthalten ist.

 

„...Zieht der Bandit sein Schwert, streckt der Gelehrte seinen Pinsel...“

 

Das Buch besteht aus zwei Teilen, die sich nur in der Sprache unterscheiden. Der erste Teil erzählt die Geschichte auf Deutsch, dr zweite auf Chinesisch.

Im Nachwort berichtet der Autor, warum er dieses Buch geschrieben hat. Kurze Zeit später waren Gespräche mit der Großmutter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es erzählt ungeschönt, wie sich das Leben für die Familie in China entwickelt hat.