Rezension

Spannender Thriller

Sensenmann - Claudia Puhlfürst

Sensenmann
von Claudia Puhlfürst

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Fernsehbericht, in dem es um grausame Funde in einem Kinderheim auf Jersey geht, löst bei Matthias Hase die lange verdrängte Erinnerung an seine eigene Kinderheimzeit aus. Plötzlich kehren die fiesen Spielchen der Erzieher und ihre ganz speziellen Methoden, die ihnen anvertrauten Kinder einzuschüchtern und zu misshandeln, mit aller Macht in sein Gedächtnis zurück. Matthias beginnt einen grausamen Rachefeldzug. Er sucht seine alten Peiniger auf und zahlt ihnen die erlittenen Grausamkeiten mit gleicher Münze heim.

Obwohl die Berichterstattung über einen rätselhaften Mord in einer Plattenbausiedlung in das Ressort der Journalistin Lara Birkenfeld fällt, setzt ihr Kollege Tom alles daran, sie aus dem Rennen zu werfen. Er kämpft mit unfairen Mitteln und reißt den Artikel an sich. Da Lara ihm nicht kampflos das Feld überlassen möchte, beginnt sie, ohne Toms Wissen, mit eigenen Recherchen. Plötzlich wird die junge Journalistin von kurzen Visionen heimgesucht, die sie nicht einordnen kann. Der Zeitpunkt dafür ist denkbar ungünstig, denn Lara braucht all ihre Kraft, um ihren Job gegen den Kollegen zu verteidigen...

Meine Meinung

Nach "Ungeheuer" ist dieser Thriller der zweite Band, in dem die Journalistin Lara Birkenfeld der Spur eines Serientäters folgt. Da die Handlungen in sich abgeschlossen sind, können sie unabhängig voneinander gelesen werden. In diesem zweiten Band gibt es kurze Rückblicke in das Geschehen des ersten Teils. Diese verraten jedoch nicht zu viel, sodass man ihn noch gespannt lesen kann, wenn man bereits den Folgeband kennt.

Das Buch beginnt mit einem Prolog, in dem man verfolgt, wie eine Leiche aufgefunden wird. Claudia Puhlfürst beschreibt bereits diese Szene so anschaulich, dass man sich an den grausigen Fundort versetzt fühlt, das Summen der Fliegen im Ohr hat und beinahe meint, den ekelhaften Geruch der Leiche wahrzunehmen. Durch diesen intensiv geschilderten Einstieg ist das Interesse am weiteren Verlauf der Handlung sofort geweckt. Der Thriller besteht aus verschiedenen Handlungssträngen. In dem einen beobachtet man Matthias Hase bei seinem Rachefeldzug. Betroffen verfolgt man seine Erinnerungen an die Zeit im Kinderheim und kann dabei kaum fassen, dass erwachsene Menschen wehrlosen Kindern so grausame Dinge antun können. Auch diese Szenen werden von Claudia Puhlfürst so intensiv beschrieben, dass man das Entsetzen der Kinder förmlich spüren kann. Obwohl man Matthias Rachefeldzug sicher nicht tolerieren darf, wächst beim Lesen der damaligen Misshandlungen und Demütigungen, die Wut im Bauch und das Verständnis für Matthias Handeln. Der Täter und die Beweggründe für seine Vergeltungsmaßnahmen scheinen von vornherein klar, doch der Autorin gelingt es meisterhaft, falsche Fährten auszulegen, denen man nur allzu bereitwillig folgt und mit einer unerwarteten Wendung zu überraschen. Die Spannung ist von Anfang an gegeben und bleibt durchgehend erhalten.

In einem weiteren Handlungsstrang geht es um die Journalistin Lara Birkenfeld, die sich gegen ihren intriganten Kollegen Tom behaupten muss. Er hat es auf Laras Ressort abgesehen und reißt sich deshalb die Berichterstattung über die "Plattenbauleiche" unter den Nagel. Dabei gelingt es ihm, sich beim Chef ins rechte Licht zu rücken und Lara mit seinem Verhalten zu unüberlegten Handlungen zu verleiten. Doch Lara hat nicht vor, ihm ihren Arbeitsbereich kampflos zu überlassen und beginnt deshalb auf eigene Faust zu recherchieren. Die Protagonistin Lara wirkt sehr sympathisch. Man leidet beim Lesen mit ihr, fühlt förmlich, wie ungerecht sie behandelt wird und kann ihre Wut im Bauch uneingeschränkt nachvollziehen. Die Figuren wirken ziemlich lebendig und deshalb fällt es leicht, sich vollkommen auf die Handlung einzulassen. Lara hat gelegentlich Visionen, die sie allerdings nicht richtig zuordnen kann. Diese führen zwar dazu, dass die Handlungsfäden sich harmonisch miteinander verweben, doch leider nehmen sie der sonst so spannenden und fesselnden Erzählung etwas von ihrer Glaubwürdigkeit. Im Verlauf der Handlung lernt Lara eine Mitarbeiterin vom Jugendamt kennen. Mit Maria Sandmann kommt nun ein weiteren, facettenreicher Handlungsstrang hinzu, der neue Rätsel aufgibt.

Der Schreibstil von Claudia Puhlfürst ist flüssig und angenehm lesbar. Sie schafft es, die unterschiedlichen Handlungsorte und Persönlichkeiten so detailliert und lebendig zu beschreiben, dass man sich nur schwer vom Gelesenen lösen kann. Obwohl die polizeilichen Ermittlungen eher im Hintergrund stehen, fesselt dieser Thriller von der ersten bis zur letzten Seite. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.

"Sensenmann" hat mich durch eine durchgehend spannende und fesselnde Handlung überzeugt. Obwohl ich sehr viele Thriller lese, war die Auflösung für mich erst spät zu erahnen und selbst da war ich von meinen vagen Vermutungen noch nicht überzeugt. Es ist der Autorin gelungen, mich in die Irre zu führen und mir einige hochspannende Lesestunden zu bereiten. Ich vergebe vier von fünf Bewertungssternen und eine klare Leseempfehlung. Den einen Stern ziehe ich ab, da Laras Visionen für mich etwas zu unglaubwürdig waren. Dennoch werde ich mir auch "Ungeheuer", den ersten Band mit der sympathischen Journalistin, gönnen und hoffe außerdem auf weitere Fortsetzungen.