Rezension

Beeindruckend

Das Ende - Ian Kershaw

Das Ende
von Ian Kershaw

Bewertet mit 5 Sternen

 

Wer wissen möchte, was das Wort Irrsinn bedeutet, sollte dieses Buch lesen. Kershaw geht darin der Frage nach, warum so viele Deutsche Hitler bis zum bitteren Ende folgten. Beginnend mit dem Attentat im Juli 1944 zeichnet er die letzten knapp 10 Monate des Dritten Reiches nach, in dessen „Endkampf“ überproportional viele Menschen starben. War das gescheiterte Attentat noch Ursache zahlreicher Solidaritätsbekundungen für Hitler, so wurde sein Ende weitgehend emotionslos oder gar mit Erleichterung registriert. Dazwischen lagen militärische Niederlagen an der West- und an der Ostfront, zahlreiche weitere Luftangriffe, der Verlust des Vertrauens in die Partei, aber eben auch eine erneute Steigerung des Terrors im Inneren. Je näher das absehbare Ende rückte, umso mehr trat das System gegen alle, die vermeintliche oder tatsächliche Gegner waren, in Aktion.
Geradezu zynisch waren die Durchhalteparolen der Propaganda, so wurde beispielsweise die Zerstörung Dresdens als positiv verkauft, weil nun die Kriegsführung keinen Wert auf die Erhaltung wichtiger Kulturstätten zu nehmen brauche.
Als weitere Gründe für den fast endlosen Todeskampf des Systems nennt Kershaw neben dem Terror und der Propaganda das Organisationstalent Speers, der Hitler als Bevollmächtigter für die Rüstungsindustrie bis zuletzt trotz aller Zerstörungen Waffen liefern konnte, militärische Fehlentscheidungen der Alliierten, vor allem aber Hitler und das von ihm geschaffene System der „charismatischen Herrschaft“ verantwortlich. Offensichtlich musste er erst sterben, damit die militärisch Verantwortlichen einen Schlussstrich ziehen konnten. Interessant ist, wie verzweifelt viele darauf setzten, dass das Bündnis der Westmächte mit der UdSSR zerfiel und glaubten, dass die Wehrmacht dann mit Hilfe von Amerikaneer und Briten die verloren gegangenen Ostprovinzen des Reiches zurückerobern könnte.