Rezension

Zwischen den Fronten

Der Feind meines Vaters - Almudena Grandes

Der Feind meines Vaters
von Almudena Grandes

Spanien zur Zeit der Franco-Diktatur: Der neunjährige Nino, Sohn eines Guardia-Civil-Beamten, lebt in einem andalusischen Dorf. Im Sommer 1947 freundet er sich mit dem geheimnisvollen Pepe an, der in Nino die Liebe zu Abenteuerromanen weckt. Über die Literatur lernt der Junge, die merkwürdigen Dinge zu hinterfragen, die im Dorf vor sich gehen. Was aber hat Pepe mit den Rebellen zu tun, die in den Bergen gegen Franco kämpfen? Nino gerät mehr und mehr selbst in ein Abenteuer und muss sich entscheiden, auf wessen Seite er steht. ( Verlagsseite)

Originaltitel: El lector de Julio Verne

2012 erschienen bei Hanser Verlag, Taschenbuchausgabe dtv 2014

Im Vergleich zu anderen Kindern seines Alters ist Nino klein. Auch sonst hat er es nicht leicht. Sein Vater gehört zur Guardia Civil; da die meisten Dorfbewohner mit den Freischärlern in den Bergen sympathisieren – meist beteiligt sich ein Familienmitglied bei ihnen –, hat Nino nicht die besten Karten. Seine Eltern sind liebevoll, aber streng.

Er entwickelt sich zur Leseratte, findet Trost und Vorbilder vor allem in den Romanen von Jules Verne. Man hätte den Originaltitel belassen sollen.

In Pepe, einem Zugezogenen, findet Nino einen erwachsenen Freund. Obwohl dieser eine zwielichtige Rolle spielt, man nicht genau weiß, wo er politisch steht, dulden die Eltern den Kontakt.

Das Buch wird aus einer Mischung zwischen kindlichem Erleben und erwachsener Reflexion darüber erzählt.

Die Familie lebt im Polizeigebäude, und Nino bekommt mit, was eigentlich die Ohren eines Kindes niemals hören sollten: Die nächtlichen Schreie der Gefolterten.

Er kann sich kein Bild machen. Auf der einen Seite sein Vater, den er innig liebt, und die Kollegen des Vaters, meist gute Freunde – auf der anderen Seite Befehle, Schüsse, Drohungen.

Grandes schafft es, auch harten Polizisten ein menschliches Gesicht, ein persönliches Schicksal zu geben; auch zeigt sie sehr deutlich, dass nicht jeder so ist wie er scheint. Zu Ninos Entsetzen auch sein Vater. Er muss er lernen, dass es Zwänge gibt, denen zu widersetzen lebensbedrohlich sein kann.

Die Autorin setzt Kenntnisse der spanischen Historie der 1940er Jahre voraus. Das ist sicher nicht zu bemängeln, im Gegenteil: Es kann verlocken, sich weitere Informationen zu beschaffen.

Problematisch sind nur das Personengefüge und die Vielzahl der Figuren, die miteinander freundschaft- oder verwandtschaftlich verbunden sind. Einem deutschen, nicht spanisch sprechenden  Leser fällt es vor allem schwer, sich die Spitznamen zu merken, die oft Anspielungen auf Beruf, Herkunft, Charakterbesonderheiten der Person sind. Laut Nachwort, in dem die Autorin erklärt, sich auf einen biographischen Bericht zu berufen, wollte sie möglichst vielen Beteiligten Gesicht und Stimme geben. Einen Teil der Figuren hat sie der Realität entnommen und ihnen einen anderen Namen gegeben, einen Teil hat sie dazu erfunden.

Eine unbedingte Leseempfehlung. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. Januar 2015 um 18:46

Jetzt das Ganze noch bepunkten während die Rezension geschrieben wird (habe ich am Anfang auch ganz oft vergessen) und perfekt ist es. Klingt nach einem tollen Buch, bei dem man auch noch was lernt. Ich verstehe es auch nicht, warum man häufig ohne Not den Titel verändert.