Rezension

Leider nicht so gut wie erwartet

Mein Herz in deinem weiten Land - Sanna Seven Deers

Mein Herz in deinem weiten Land
von Sanna Seven Deers

Bewertet mit 3 Sternen

Als ich hörte, dass von der von mir geschätzten deutsch-kanadischen Autorin Sanna Seven Deers eine Autobiographie heraus kommt, war mir sofort klar, dass ich sie unbedingt lesen möchte. Lange vor Erscheinen war sie bereits auf meinem Wunschzettel. Ich war so interessiert an dieser interessanten Lebensgeschichte, dem Wechsel zwischen der deutschen Kultur und der indianisch-kanadischen. Und natürlich an der faszinierenden Liebesgeschichte zwischen Sanna und ihrem David.

Die junge Sanna lernt ihren späteren Mann mit Anfang 20 in Hamburg kennen, ihrer Heimatstadt, wo er für das Naturkundemuseum arbeitet. Sie verlieben sich recht schnell und entgegen aller zweifelnden Stimmen von Familie und Freunden über den großen Altersunterschied und die unterschiedliche kulturelle Herkunft wird sehr bald klar, dass sich hier zwei Menschen begegnet sind, die ihr Leben miteinander verbringen wollen. Sanna folgt ihrem Verlobten nach Kanada und lernt dort seine Familie und das für eine deutsche Großstädterin unbekannte Leben auf einem Reservat kennen. Dort leben sie allerdings nur kurze Zeit. In den folgenden Jahren kommen mehrere Umzüge quer durch Kanada auf die wachsende Familie zu. Im Laufe der Jahre bekommt das Paar vier Kinder. Die Landschaftsbeschreibungen gelingen im ganzen Buch wunderschön und machen große Lust darauf, selbst einmal dieses großartige Land zu bereisen. Die Sprache ist, wie ich sie auch aus Sannas Romanen kenne, einfach zu lesen, aber auf ganz eigene, besondere Weise schön und atmosphärisch. Vielleicht etwas weniger ausgefeilt, als in ihren fiktiven Werken, aber eine Biographie ist ja auch ein anderes Genre und ich fand die Sprache sehr angemessen. Schön waren für mich auch die immer wieder anklingenden spirituellen Aspekte des Lebens in der weiten, traumhaften Landschaft Kanadas. 

 

Leider geht das Buch dennoch für mein Empfinden für eine Autobiographie nicht genügend in die Tiefe. Mir fehlen mir einfach wesentliche Aspekte. Zum Beispiel werden kaum Dialoge oder Gedankenaustausch zwischen den Eheleuten thematisiert. Inwieweit kommunizieren sie untereinander über die beschriebenen Anfeindungen? Wie thematisieren sie die Vorurteile, die auch Sannas Herkunftsfamilie hat, besonders in der Frühzeit ihrer Ehe? Inwieweit hilft David, der als kanadischer Indianer solche Vorurteile leider gewöhnt ist und mit 14 Jahren Altersvorsprung auch schon mehr Lebenserfahrung hat, Sanna dabei, diese Belastung zu verarbeiten? Der anfangs erwähnte starke Familienzusammenhalt in der indianischen Kultur kommt später im Leben des Paares kaum vor. Sie bauen, trotz zahlreicher Verwandte, im Alleingang ihre Farm in den Bergen auf und sind ohnehin nach Verlassen des Reservates eher als Familie für sich. Der Kontakt zu Davids Familie oder entstehende Freundschaften werden kaum thematisiert. Es wird hierbei nicht deutlich, ob diese Kontakte fehlen oder ob einfach nur nicht darüber geschrieben wird. Auch darüber, wie sich die Ehe im Laufe der Jahre entwickelt und formt bleibt der Leser bedauerlicherweise im Unklaren. Es ist selbstverständlich und liegt auf der Hand, dass bei einer Autobiographie die Perspektive der Schreibenden ihre eigene ist, aber von einer veröffentlichten Biographie erwarte ich mehr, als beispielsweise von einem veröffentlichten Tagebuch. Daher fehlen mir diese Informationen und ein bisschen mehr Objektivität die das Geschehen auch von Außen greifbar macht, sehr. In die oben genannten Fragen, die sich beim Lesen ergeben, habe ich mir wahre Einblicke gewünscht. Dieshingehend ordne ich das Buch als recht oberflächlich ein, auch wenn ich das bedaure. Da die meisten Charaktere des Buches noch Leben hat man sich hier wohl zur Wahrung der Privatsphäre darauf geeinigt, diese Aspekte auszuklammern oder nur anzuschneiden. Aber dann hätte man, meiner Meinung nach, die Veröffentlichung einer Biographie auf einen späteren Zeitpunkt im Leben verlegen sollen oder sie gar post mortem erscheinen lassen können, wenn das nicht mehr so nötig scheint.

Mehrmals erwähnt die Autorin, dass sie eine gute Beziehung zu ihren eigenen Eltern hat, nennt dafür aber leider kaum Beispiele, sondern eher Begebenheiten, in denen die Beziehung angespannt und entfremdet wirkt. So wirkte es jedenfalls auf mich. Auch hier schließt das Buch für mich einfach nicht rund.

Bleiben alles in allem 3 von 5 Sternen für eine nette Biographie, von der ich mir aber mehr erhofft habe.