Rezension

Vom Fremdsein

Golem und Dschinn - Helene Wecker

Golem und Dschinn
von Helene Wecker

~~"Golem und Dschinn", der erste Roman der amerikanischen Autorin Helene Wecker, ist ein umfangreiches Werk aus dem Bereich der Phantastik und lebt vordergründig von den beiden unterschiedlichen Hauptfiguren.

 Im Jahr 1899 treffen sich ein Golem und ein Dschinn, Chava und Ahmad, in den Straßen New Yorks. Ein Golem ist eine durch Zauberei zum Leben erweckte Tonfigur aus der jüdischen Kabbala, ein Dschinn ist ein uraltes Feuerwesen, das seinen Ursprung in der islamischen Kultur hat. Erde und Feuer, so gegensätzlich wie diese beiden Elemente sind, so unterschiedlich verhalten sich auch Chava und Ahmad.

 Der Golem ist eine Auftragsarbeit und wurde ursprünglich kreiert, um einen polnischen Geschäftsmann als Ehefrau in die Neue Welt zu begleiten. Da dieser jedoch während der Überfahrt stirbt, kommt sie ohne Perspektive in New York an und ist auf sich alleingestellt. Glücklicherweise erkennt ein alter Rabbi den Golem in ihr und nimmt sich ihrer an. Er gibt ihr den Namen Chava und lehrt sie menschliches Verhalten.

 Der Dschinn wurde vor langer, langer Zeit von einem mächtigen Zauberer in Vorderasien erschaffen. Durch eigene Neugier gerät er in ein Kupferbehältnis, wird dort eingeschlossen und kommt über verschlungene Pfade nach New York. Befreit wird er unbeabsichtigterweise von einem Kesselflicker, der sich von nun an um ihn kümmert und ihm den Namen Ahmad gibt.

 Die Art und Weise, in der Helene Wecker die Geschichte von Chava und Ahmad vor dem Leser ausbreitet, hat fast schon etwas Magisches an sich und erinnert an orientalische Märchenerzähler: Viele verschiedene Menschen kreuzen die Wege der Hauptfiguren, jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte und ist ein Steinchen in einem üppigen, farbenprächtigen Mosaik.

 Helene Wecker hat einen stimmungsvollen und spannenden Roman geschrieben, dessen unterschiedliche Figuren gut charakterisiert sind. Sie hat ein gutes Gespür für das richtige Timing, denn gerade dann, wenn man sich fragt, was aus einer Person wohl geworden sein mag, taucht diese auf und treibt die Handlung voran.

 Die Autorin erzählt vom Ankommen in einer unbekannten Welt und vom Fremdsein, von Schicksal und von eigenem Willen. Erde und Feuer, Golem und Dschinn, Chava und Ahmad haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint, und unterstützen sich gegenseitig auf dem ungewohnten und beschwerlichen Weg, den sie gehen müssen, damit sie Mensch werden.