Rezension

Die Axt für das Eis

Das Leben in einem Atemzug - Neel Mukherjee

Das Leben in einem Atemzug
von Neel Mukherjee

Bewertet mit 4 Sternen

Mukherjee erzählt in literarisch beeindruckender und stilistisch wunderbarer Weise von Leid, Grausamkeit und Hoffnungslosigkeit in der indischen Gesellschaft – so eindrücklich, dass es zwischendurch kaum zu ertragen ist.

Kafkas berühmter Satz „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“ trifft hier voll zu; das ist alles andere als ein Wohlfühlbuch. Mukherjee erzählt von Menschen, die in den verschiedensten sozialen Kontexten Indiens leben. Dadurch zeichnet er ein eindrückliches Bild einer Gesellschaft, die durch massive soziale Ungleichheiten gekennzeichnet ist, und zeigt, was eine solche Struktur mit Menschen macht. Nicht nur die Armut und der Hunger, sondern besonders die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation und ihre Ohnmacht macht den Menschen zu schaffen. Oft entlädt sich diese Wut dann an jenen, die sich noch weniger wehren können – an Frauen, Kindern oder Tieren. Passagenweise musste ich das Buch querlesen, weil mir die entsprechenden Gewaltszenen einfach zu heftig waren; dabei dienen sie aber nie dazu, sich an der Gewalt zu ergötzen. Der Autor versteht es, dem Leser Charaktere nahezubringen, deren Lebensalltag sich von unserem stark unterscheidet, der Schreibstil ist stilistisch herausragend, flüssig und zieht einen tief in die Geschichten hinein.

Ein bisschen schade fand ich, dass es tatsächlich einzelne Erzählungen sind, deren Protagonisten sich höchstens zufällig einmal begegnen, aber weiter nichts miteinander zu tun haben. Bei der letzten Geschichte verzichtet der Autor zudem vollständig auf Satzzeichen; mir erschließt sich nicht warum, das zerstört die Lesbarkeit und ich konnte diesen (zum Glück kurzen) Teil nur überfliegen. Alles in allem jedoch ein höchst beeindruckendes Buch, von dessen Autor ich sicherlich noch mehr lesen werde!