Rezension

Schuld und Sühne

Das Gebot der Rache - John Niven

Das Gebot der Rache
von John Niven

Bewertet mit 4.5 Sternen

... sind das zentrale Thema dieses Romans aus der Feder des schottischen Kultautors John Niven. Vielen dürfte er wegen seiner bissigen, schwarzhumorigen Geschichten bekannt sein. "Kill your Friends", "Old School" oder "Straight White Male" sind dem ein oder anderen Leser sicher ein Begriff. Ein ganz anderes Genre bedient Niven mit "Das Gebot der Rache" (OT: Cold Hands). Dieser im Heyne Hardcore Verlag erschienene Thriller ist aber eben auch ein sehr gut erzählter Roman, der mit fein herausgearbeiteten Charakteren und einer hervorragend konstruierten Handlung punktet, dabei aber gerade im letzten Drittel die Gemüter von zartbesaiteten Lesern überstrapazieren könnte.

Eins vorweg: Bitte lesen Sie nicht den Klappentext, wenn Sie in den vollen Genuss der spoilerfreien Lektüre kommen und sich die zum Teil schockierenden Überraschungsmomente nicht nehmen lassen wollen. Es dürfte genügen, wenn man folgenden kurzen Abriss des Inhalts kennt.
Donald Miller lebt mit seiner aus reicher Familie stammenden, beruflich erfolgreichen Frau Sammy, ihrem gemeinsamen Sohn Walt sowie dem Familienhund Herby in einem hübschen Anwesen in der kanadischen Provinz. Doch die Familienidylle findet ein jähes Ende als Donnie den Hund grausam abgeschlachtet im Schnee findet. Die vage Vermutung, es könne sich um einen Angriff von Wölfen handeln, kann er nicht so recht glauben und als dann ein weiteres Unglück geschieht, weiß Donnie, dass ihn die Geister seiner Vergangenheit einzuholen drohen.

Niven macht schnell klar, dass hinter der eigentlichen Geschichte noch eine weitere erzählt werden muss. Immer wieder gewährt er dem Leser in Form von Rückblenden und Erinnerungsfetzen Einblick in Donnies schwierige Kindheit und Jugend in Schottland. Gleich einer Zwiebel schält er Schicht um Schicht ab und legt Donnies Persönlichkeit letztlich ganz offen. Wer ist dieser Mann, der seine eigene Geschichte hier erzählt? Welche Spuren hat er im Schnee hinterlassen? Stück für Stück setzt sich dieses Puzzle zusammen und der Weg dahin ist äußerst spannend. Obwohl der Roman, abgesehen von dem Fund der Hundeleiche, zunächst recht ruhig beginnt, kommt zu keiner Zeit Langeweile auf. Das gemäßigte Eingangstempo erfüllt seinen Zweck, Niven gibt seinen Figuren und auch dem Leser Zeit, sich aufzustellen, ein Gefühl für Land und Leute zu entwickeln. Unterschwellig ist das bevorstehende, drohende Unheil stets spürbar und das nicht nur, weil es ab und an auch angekündigt wird (der Erzähler ist wie schon erwähnt Donald selbst und bereits im Prolog wird klar, dass Entsetzliches geschehen sein muss). Ab der Hälfte des Romans nimmt die Story deutlich an Fahrt auf. Hier gibt es keine Verschnaufpausen mehr und man kann das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Zugegeben, der Autor überspannt den Bogen hier vielleicht ein wenig (ich kann das nicht näher erläutern, weil ich Nichts von der Handlung verraten möchte) und vielleicht hatte er hier auch eine Verfilmung vor Augen aber unumstritten läuft hier vor dem geistigen Auge ein waschechter Actionthriller ab.

Insgesamt konnte mich Niven einmal mehr überzeugen. Sein Schreibstil, die Art des Erzählens, seine scharfe Beobachtungsgabe, die geschaffene Atmosphäre sowie seine fein gezeichneten Charaktere machten diesen Thriller für mich zu einem atemlosen Leseerlebnis.

Fazit:

Statt nullachtfünfzehn Thriller gibt es hier ein ernstes Grundthema mit einigen Denkanstößen, bei dem die Spannung durchweg hoch ist und auch mit Brutalität nicht gegeizt wird. Plotwists, eine düstere Atmosphäre und ein beklemmendes Gefühl nachdem man das Buch zugeschlagen hat, gibt es außerdem. Lesenswert.