Rezension

Kurzweilig, aber vorhersehbar

Aprilgewitter - Iny Lorentz

Aprilgewitter
von Iny Lorentz

Bewertet mit 3 Sternen

Tja, ich weiß auch nach diesem Buch nicht, ob ich das Autorenpaar, das sich hinter Iny Lorentz verbirgt, mögen oder meiden soll ... Dies ist jetzt mein 3. Buch von ihnen, und wirklich überzeugen konnte es mich nicht, obwohl es mich meistens ganz gut unterhalten hat ...
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Kommen wir erstmal zum Inhalt:
Deutschland, 19. Jahrhundert. Lore lebt mit ihrem Mann Fridolin von Trettin mittlerweile in Berlin, der pulsierenden Hauptstadt Preußens. Anders als im eher beschaulichen Bremen gilt hier ein strenger Gesellschafts- und Sittenkodex. Lore hat mit ihrer guten Freundin Mary einen Modesalon eröffnet und arbeitet dort selbst gelegentlich als Schneiderin. Dies ist sowohl ihrem Mann Fridólin als auch der oberen Gesellschaft ein Dorn im Auge. Schließlich kann es nicht angehen, dass die Frau eines adligen Herrn (von Trettin) wie eine gewöhnliche niedere Bürgerin arbeitet. Zudem hat Fridolin ganz aktuell seine Karriere im Auge, er ist Vizedirektor des großen Bankhauses Grünfelder und hat sogar die Möglichkeit, Teilhaber zu werden. Da ist das Gerede über Lore natürlich alles andere als förderlich. Hinzu kommt, dass Lore von den Damen der oberen Gesellschaft gemieden wird und keinerlei Kontakte knüpfen kann. Sie droht zu vereinsamen. Und Familie Grünfelder ist sie sowieso ein ganz besonderer Dorn im Auge, hat ihr geliebtes Töchterchen doch ihr Herz an Fridolin verloren und akzeptiert nur ihn als möglichen Ehegatten ...
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Meinung:
Greift man zu einem Schmöker von Iny Lorentz, kann man sich auf eines verlassen: auf einen süffigen Schreibstil! Das Buch liest sich locker-flockig, die Seiten fliegen nur so dahin, die Wortwahl ist der Zeit des 19. Jahrhunderts in etwa angepasst. Auch das Setting ist sehr reizvoll: Preußen, Kaiserzeit, Militarismus, strenge gesellschaftliche Regeln, bürgerliche Moral, Konflikte zwischen aufstrebendem Bürgertum und alteingesessenem Adel ... Alles in allem eine Themenmischung, die mich sehr anspricht!
Warum ist der Funke dann nicht übergesprungen? Nun, der Grund dafür liegt - wieder einmal - in den simplen, in "gut" und "böse" eingeteilten Charakteren und einem sehr vorhersehbaren Plot. Ich habe bisher zwei Bücher von Iny Lorentz gelesen, "Die Wanderhure" und "Die Kastellanin", und da ist mir das gleiche Problem schon sauer aufgestoßen. Es gibt leider nur Schema F- Charaktere, entweder sind sie durch und durch hinterlistig, gemein, egoistisch und grausam oder eben genau das Gegenteil: ehrbar, sittsam, emanzipiert, offen und natürlich stark! Na ja, ung ganz oft sind sie leider auch ziemlich dumm .., Darüber hinaus handeln die Figuren oft vorhersehbar. Meistens wird es so dargestellt, dass den Charakteren nur eine einzige Handlungsmögtlichkeit eröffnet wird, sie schauen weder nach links noch nach rechts, als ob sie keine andere Wahl hätten. Dem ist aber nicht so, und oft habe ich mich während des Lesens gefragt "Warum denkt er denn nicht auch darüber nach?" oder "Wieso macht er nicht das?". Aber bei Iny Lorentz muss die Geschichte ja in exakt der einen Richtung laufen, nämlich die, die das Autorenpaar vorgesehen hat. Ich hatte oft das Gefühl, dass der Plot stark gelenkt und konstruiert war, die Geschichte entwickelte sichz nicht aus sich heraus.
Schade fand ich es auch, dass einige (interessante) Charaktere zu Anfang viel Raum eingenommen haben (z.B. Caroline von Trepkow, ein verarmtes Adelsmädchen, dass zwangsweise arbeiten muss, um ihre Mutter und sich zu versorgen, oder auch Gregor Hilgemann), ab der Hälfte des Buches aber kaum mehr eine Rolle spielten. Da stellt sich natürlich die Frage, warum sie überhaupt eingeführt wurden.
Ab der Hälfte des Buches entsteht dann auch eine Art Bruch in der Geschichte. Die Inrigen ziehen immer weitere Kreise bis zum Höhepunkt, und ab diesem geht es dann nur noch darum, das Ränkespiel zu entwirren und Missverständnisse aufzuklären - und dieser Part ist einfach furchtbar vorhersehbar und, ja, fast schon platt. In dem Teil verschwinden auch die in der ersten Hälfte so liebevoll eingeführten Charaktere zu Lasten einer klischeebeladenen Handlung - zu der es übrigens nicht gekommen wäre, wenn die Figuren einfach mal offen miteinander REDEN würden. Viele Missverständnisse in dem Buch entstehen einfach deswegen, weil die Personen ihre Gedanken, Vermutungen, Befürchtungen für sich behalten. Tja, sprechenden Menschen kann geholfen werden :-). Aber gut, andererseits hätten keine 700 Seiten gefüllt werden können ...
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Fazit: Das Buch bietet leicht, seichte Unterhaltung für Leser, die sich für die Preußenzeit interessieren. Es liest sich flüssig, ist unkompliziert und bietet ein kurzweiliges Lesevergnügen. Abstriche gibt es von mir bei Charakterzeichnung und Plotentwicklung - zu platt, zu vorhersehbar, zu konstruiert.
3 von 5 Sternen