Rezension

Ein ungewöhnliches Leben

Total vergeigt - Anton Schenk

Total vergeigt
von Anton Schenk

Bewertet mit 4 Sternen

„...Ohne wirklich eine Straftat begangen zu haben, war ich rechtmäßig verurteilt und inhaftiert, meine Schuld zweifelsfrei vor Gericht bewiesen...“

 

Anton ist selbstständiger Ingenieur. Er hat eine Frau und zwei Kinder, ist aber nicht wirklich ein Familienmensch. Seine Arbeit sorgt für häufige Abwesenheit von zu Hause. Deshalb ist auch die Bindung an die Kinder nicht sehr eng. Seine Frau akzeptiert das. Sie vertraut ihm. Dann aber lernt er die ungarische Ärztin Zusanna Nagy kennen. Damit gerät sein Leben aus dem Ruder.

Der Autor lässt Anton seine Geschichte selbst erzählen. Es sind Episoden eines Lebens, das ihm nach und nach entgleitet.

Da Anton einen Auftrag in Wien erhält, muss sein geplanter Wanderurlaub entfallen. Dafür wird ihm nach Erledigung der Arbeit eine Reise an den Balaton finanziert. Sehr detailliert und mit schönen Metaphern wird beschrieben, wie er diese Ruhetage genießt. Er stellt dort fest:

 

„...Wann hatte ich mich das letzte Mal so frei gefühlt?...“

 

Doch eines kann er nicht verhindern. Obwohl er Zusanna nach der ersten Begegnung nie wiedergesehen hat, geht ihm die Frau nicht aus dem Kopf. Und dann steht sie plötzlich vor ihm. Sie ist die Tochter einer Herbergseltern. Es entwickelt sich eine Romanze. Gleichzeitig wird ihm die Leitung einer Baustelle in Szeged angeboten. Ob Anton ahnt, dass Zusanna sein Schicksal wird? Das folgende Zitat deutet es an:

 

„...Wenn meine Welt noch zu retten wäre, müsste ich mir Zusanna aus dem Kopf schlagen und den Job schnellstens aufgeben...“

 

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Im Mittelpunkt steht die Zerrissenheit des Protagonisten. Gleichzeitig wird er von einer gewissen Unrast getrieben. Mal will er sein Familienleben retten, kurze Zeit später plant er einen einsamen Urlaub oder einen Umzug.

Ab und an kann Anton auch sarkastisch werden:

 

„...Wer keinen Nagel in die Wand bekommt, entwickelt politisches Geschick...“

 

Auch Zusanna bleibt in gewisser Weise undurchsichtig. Ich habe den Eindruck, Anton ist für sie nur Mittel zum Zweck. Hat sein Rückzug sie dazu bewogen, ihm die Polizei auf den Hals zu hetzen? Ist sie an seiner Verurteilung Schuld? Was ist in Ungarn wirklich passiert? Hier bleiben ein paar Fragen offen. Anton ist erstaunlicherweise nicht an der Aufklärung interessiert.

Nach der Entlassung steht Anton allein da. Er nimmt die erste Chance wahr, die sich arbeitsmäßig bietet. Damit beginnt sein weiterer, bewusst selbst gewählter Weg des Abstiegs.

Anton hat in seinem Leben eine Menge vergeigt. Er allerdings sieht das am Ende keinesfalls so. Er scheint erstaunlicherweise mit seinem neuen Platz im Leben und seiner Aufgabe zufrieden zu sein. Er hat die Ruhe gefunden, die er zuvor nie hatte.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte ist reizvoll und ungewöhnlich.