Rezension

Mobbing erklärt von einem Okapi

Neun Tage mit Okapi - Sandra Niermeyer

Neun Tage mit Okapi
von Sandra Niermeyer

Bewertet mit 5 Sternen

Wie reagiert man, wenn plötzlich ein Okapi im Kaufhaus vor einem steht? Lale zumindest ist höchst erstaunt, diesen Regenwaldbewohner im kalten Winter mitten in Deutschland zu treffen. Doch das Okapi ist nicht grundlos hier: es sucht eine Strumpfhose – braun, lang, blickdicht. Lale und ihre Familie beschließen sofort, dem Okapi bei seiner Mission zu helfen und neun abenteuerliche Tage beginnen.

Sandra Niermeyer entführt uns mit „9 Tage mit Okapi“ in eine fantastische Geschichte, die auch direkt vor der eigenen Haustür passieren könnte. Die Heldin der Geschichte ist Lale: eine Drittklässlerin, gut in der Schule, befreundet mit dem beliebtesten Mädchen der Klasse und mit dem großen Wunsch nach einem Haustier. Doch das Okapi Käppie stellt sich als vielmehr als ein „Haustier“ heraus. Käppie wird ein richtiges Familienmitglied und krempelt Lales ganzes Leben um. Plötzlich beginnt Lale darüber nachzudenken, ob es wirklich okay ist, sich immer über Nora lustig zu machen. Und ob sie wirklich nicht mehr als eine Mitläuferin ist.

Am Anfang war ich doch etwas verwundert, wie cool alle in Lales Umgebung auf das Okapi reagieren. Ein Okapi im Kaufhaus? Okay! Lass uns doch schnell noch Blumen zum Fressen einkaufen gehen! Doch schon nach Kurzem war ich so von der Geschichte gefesselt, dass ich Okapis in Strumpfhosen plötzlich auch ganz normal fand. In die Geschichte um die schüchterne Kurzhalsgiraffe ist wunderbar das Thema Mobbing und Ausgrenzung verpackt. Dabei kommt die Handlung aber fast vollkommen ohne mahnende Erwachsene, belehrende Worte oder erhobene Zeigefinger aus. Sandra Niermeyer umgeht das geschickt mit der traurigen Geschichte des Okapis. Und so ist es im Buch wie im wahren Leben: endlose Reden von Lehrern oder Eltern führen zu gar nichts. Aber die innere Einsicht von Lale, gewonnen aus ihren eigenen Erfahrungen, wendet am Ende alles zum Guten. Denn natürlich gibt es am Ende ein Happy End. Kein rosa glitzer Ende, ein paar Tränen sind auch dabei. Aber doch ein Ende, das den Leser mit einem guten Gefühl zurücklässt. Und der Erkenntnis: wir sind mehr als unser Äußeres und niemand kann einfach in irgendwelche Schubladen gesteckt werden. Egal, ob das die dicke Außenseiterin ist oder der hübsche Klassenliebling.