Rezension

Krimi mit packender Gesellschaftsstudie

Tod einer roten Heldin - Xiaolong Qiu

Tod einer roten Heldin
von Xiaolong Qiu

Bewertet mit 4 Sternen

Shanghai in den 90er Jahren, nach der Kulturrevolution: Chen Cao ist Leiter der Spezialabteilung im Shanghaier Polizeipräsidium. Eigentlich war für ihn eine Diplomatenkarriere vorgesehen, doch aufgrund der politisch bedenklichen Vergangenheit eines Verwandten übt er nun den Beruf eines Polizisten aus. Seine Vorliebe für Literatur und Dichtkunst macht ihn zudem zu einem in Literaturkreisen anerkannten Lyriker und Übersetzer.
Als die nationale Modellarbeiterin Guan Hongying ermordet aufgefunden wird, deklariert das Zentralkommitee der Kommunistischen Partei dies als politischen Fall und weist ihn der Spezialabteilung um Oberinspektor Chen und Hauptwachtmeister Wu zu. Kommissar Zhang, einem alten, angesehen Kader, sollen sie regelmäßig den Stand der Ermittlung mitteilen. Je mehr die Ermittlungen fortschreiten, desto klarer wird Chen und Wu, dass der Fall nicht nur aufgrund des Status der Ermordeten politisch brisant ist. Die Spuren führen direkt in die obersten politischen Kreise.

Ich liebe es, wenn in Krimis nicht nur auf Leichen, Ermittlungsarbeit und Spannung gesetzt wird. Tod einer roten Heldin entwirft ein umfassendes Gesellschaftsbild des Chinas nach der Kulturrrevolution. Ob Wohnungszuweisungen, Telefonanschlüsse bis hin zu Beförderungen, politische Kontakte und hohe gesellschaftliche Stellenwerte sind entscheidend. Der Mord an einer nationalen Modellarbeiterin, die die kommunistischen Ideale öffentlichkeitswirksam propagandierte, ruft in diesem System selbstverständlich die Politik auf den Plan.

Der Autor hat einen wunderschönen Schreibstil, der zum Verweilen einlädt. Die Hauptfigur ist nebenher Lyriker, sodass sich hier und da einzelne Verse von Chen und erfreulicherweise auch Auszüge anderer chinesischer Dichter aus verschiedenen Dynastien einfinden, die perfekt zum Handlungsverlauf passen. Eine schöne Idee, Qiu ist selbst Lyriker. Er baut die typisch asiatische Atmosphäre gut auf. Mit Chen und Wu hat er sehr realistische Hauptfiguren geschaffen.

Dieser Krimi ist einer von der gemächlichen Sorte. Literweise Blut wie gesundheitsgefährdenden Nervenkitzel wird man hier nicht finden. Es ist mehr die Realitätsnähe, die schockiert und sprachlos macht.