Lahmen Gäule auf der Überholspur
Bewertet mit 4 Sternen
Hier landen sie. Im Slough House (Schlammhaus). Die in Ungnade gefallenen Agenten des MI5. Auch River. Dem eigentlich eine glänzende Spionage-Karriere in die Wiege gelegt schien. Bis eine Mission so richtig schief lief. Nun sortiert er Müll. Auf diesem miefigen Abstellgleis. Welches von einem noch miefigerem Trunkenbold geleitet wird: Jackson Lamb.
Vom Rest der Agentenwelt als Slow Horses (lahme Gäule) verschrien, erledigt die Sammlung sozialgestörter Individuen in ihrem heruntergekommen Büroloch langweiligste Analyse-Arbeit. Weggesperrt. Kaum Hoffnung auf Rehabilitation.
Als im Internet ein Video mit einem entführten jungen Mann auftaucht, schauen die Slow Horses zu. Wie der Rest des Landes. Nichts ahnend, dass die Kacke bald ganz schön dampfen wird. Während sie mitten drin in diesem stinkenden Mist stecken.
Herrons Schreibstil mochte ich sofort
Herrons Schreibstil mochte ich sofort. Die häufigen Szenenwechsel. Die Drehbuch-artig ineinandergreifen. Mit vielen, kleinen Cliffhangern. Deren Formulieren aufeinander aufbauen. Das machte direkt Spaß. Dagegen brauchte die Story um so länger, bis sie mich packte.
Denn der Start zieht sich. Dezent gelangweilt stapfte ich etwa 300 Seiten durch den Slough House-Schlick. Überrumpelt von zahlreichen Charakteren, ihren Befindlichkeiten und Werdegängen, verlor ich den Überblick. Doch half mir die Erzählweise, das Chaos zu ignorieren. Es hinzunehmen. Bis es sich zu lichten begann. Zwar komme ich auch nach der Lektüre noch nicht mit allen Namen klar. Jedoch: es ist egal. Weil mich das letzte Drittel des Buches mitriss. Die lahmen Gäule galoppierten auf die Überholspur.
In einem Rutsch las ich den Rest. Begann Protagonisten zu schätzen. Suhlte mich in inneren Monologen und pointiert lakonischen Kommentaren. Begann mit der desillusionierten Bande zu sympathisieren. Und zu ahnen, dass dies erst der Anfang meiner Reise mit den ausrangierten Loosern ist.