Rezension

"1813 - Kriegsfeuer" von Sabine Ebert

1813 - Kriegsfeuer - Sabine Ebert

1813 - Kriegsfeuer
von Sabine Ebert

Bewertet mit 4 Sternen

Erster Satz
"Blücher überschreiten die Oder?", brachte Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, fassungslos in seiner eigentümlichen Sprechweise heraus.

Um was geht's?
Napoleon Bonaparte herrscht über Europa. Nach der Niederlage seiner Grande Armée in Russland läuft der König von Preußen und der Zar von Russland zu den Alliierten über, um Europa von dieser blutigen und kriegerischen Herrschaft zu befreien. In furchtbaren Schlachten und grauenhaften Kämpfen stehen sich beide Parteien immer wieder gegenüber. Vor allem das Königreich Sachsen leider unter den Auseinandersetzungen, da es sich aufgrund seiner geographischen Lage für die verfeindeten Parteien ausgezeichnet als Schauplatz für Schlachten eignet. In diesem ganzen Chaos schlägt sich die 17-jährige Henriette gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder von Weißenfels nach Dresden durch. Nachdem deren Eltern verstorben sind, musste sich Henriette, die von allen nur Jette genannt wird, gegen einen französischen Plünderer zur Wehr setzen, wobei sie ihn aus Versehen erschlug. Sie flüchtet sich zu ihrem Oheim nach Dresden, der sie und den Bruder Franz bei sich aufnimmt und Jette in seiner Buchhandlung aushelfen lässt.
Außerdem hilft Jette im Lazarett aus, die wegen der vielen schwer Verwundeten und Verletzten hoffnungslos überfüllt sind. Dabei pflegt sie Maximilian Trepte kennen, einen preußischen Soldaten, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Doch als Franzosen in ihr Haus einquatiert werden, ist Maximilian nicht der einzige Mann, um den sich Jettes Gedanken drehen. 
In Dresden halten sich auch die Studenten Felix und Richard auf, die sich nach einigem Hin und Her entschließen, sich dem Kampf gegen Napoleon anzuschließen. Sie melden sich freiwillig beim Lützower Freikrops, ganz ohne militärische Ausbildung oder Kampferfahrung. 
Jette, Richard, Maximilian, Felix und noch viele andere müssen mit dem tobenden Krieg um sich herum klar kommen und erleben dabei diese schwierige Zeit aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.

So hat's mir gefallen
Wow, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, euch von diesem Buch zu berichten. Es hat mich bewegt, überrascht, traurig gemacht, ist mir ans Herz gegangen.... Und alle meine Empfindungen scheinen gleichzeitig an die Oberfläche zu drängen.
Zunächst einmal muss ich die unglaubliche Arbeit des Verlages loben, denn das Buch ist meiner Meinung nach ein echter Augenschmaus. Das Cover ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber der Schutzumschlag ist mal etwas ganz besonderes. Er lässt sich wie ein Poster aufklappen und zeigt eine Landschaftskarte, auf welcher eingezeichnet ist, wie die Gebiete im Jahr 1813 eingeteilt waren, wo welche Militäreinheiten standen usw. Das hat mir das Lesen des Buches nachher sehr erleichtert, da es doch sehr komplex war. So hatte ich allerdings immer die Karte, auf welcher ich mir das Gelesenen veranschaulichen konnte. Wirklich sehr schön...
Der Einstieg in das Buch war etwas holprig und empfand ich als ultraschwer, da ich ehrlich zugeben muss: die Völkerschlacht um Leipzig im Jahr 1813 gehört jetzt nicht gerade zu den Geschichts-Gebieten, auf denen ich im Schlaf sämtliche Fakten herunterbeten kann. Von Napoleon Bonaparte hat wohl so gut wieder jeder mal gehört, vielleicht auch darüber, was der Gute so getrieben hat und wie es mit ihm geendet hat. Aber die einzelnen Schlachten, naja... da muss ich zugeben, trotz Geschichte-Leistungskurs, doch sehr eingerostet. Da Frau Ebert auf einen kurze Einführung verzichtet hat, muss der Leser sich erst einmal in den Geflechten von Feinden, Alliierten, Generälen und Freikorps zurechtfinden. Wer kämpft auf welcher Seite gegen wen und vor allem wann und wo? Ich muss gestehen, dass ich mir neben der Lektüre eine kleine Liste erstellt habe, um mich besser zurecht zu finden. 

Nach einer kurzen Eingewöhnung allerdings hat mich das Buch total abgeholt. Es stellt eine schöne Mischung aus Sachbuch und Roman dar. Dabei hat mir vor allem die Gestaltung der historischen Charaktere unglaublich gut gefallen, da ich wirklich das Gefühl bekommen hab, ich würde Napoleon kennen, oder Kaiser Franz I. von Österreich. Dabei wurde er genau so dargestellt, wie ich ihn mit vorgestellt hatte. Etwas größenwahnsinnig, aber ein genialer Militär. Wirklich Tiefe bekamen daneben allerdings vor allem diejenigen Charaktere, die aus dem einfachen Volk kamen. Zwar haben alle Charaktere ungefähr das gleiche Gewicht für die Geschichte, aber vor allem hat mich Jettes Geschichte gefesselt. Viele Schicksale sind irgendwie mit ihr verbunden und von ihr bekam ich den besten Eindruck. Ihre Gedanken und Gefühle konnte ich unglaublich gut nachempfinden und die Schrecken, die eine 17-Jährige während eines solch blutigen Krieges erleben muss, formten sich zu einem beeindruckenden Bild. Auch die Schicksale von Felix und Richard zeigten einen Umstand ganz deutlich: gerade für das "einfache Volk" war die Völkerschlacht und deren Auswirkungen zu unfassbaren Grauen. Blute, abgerissene Gliedmaßen überall auf den Straßen, an jeder Ecke Leichen verschiedener Nationalitäten, fremde Militärs im eigenen Haus und zusätzlich fehlte es an allem. Die Menschen damals litten Hunger, ihnen fehlte es an den grundlegensten Gütern. Zusätzlich wurde ihnen von den durchziehenden Armeen alles genommen, was diese für sich als nützlich ansehen. Dabei hat Sabine Ebert auch diese einfachen Menschen nicht alle komplett erfunden, sondern sich immer penibel an Überlieferungen gehalten.

Und genau dieser Umstand macht dieses Buch aus. Sabine Eberts Versuch, sich möglichst genau an das tatsächlich Geschehene zu halten, ist ihr fulminant gelungen. Die Geschichte ist wirklich bis ins kleinste Detail recherchiert und Frau Ebert hat damit ein Meisterwerk geschaffen, das ihr so bestimmt so schnell niemand nach macht. Im Vergleich zur Hebammen-Saga, bei der es sich vor allem um einen Roman mit historischen Elementen handelt, ist "1813 - Kriegsfeuer" vor allem eine historische Nacherzählung, in die in genau richtiger Dosierung kleine Romanelemente eingeflochten sind. Dabei ist das Buch in drei größere Abschnitte eingeteilt und behandelt nicht nur die Schlacht um Leipzig an sich, sondern auch den Weg dahin und ein kleines Stück davon, was danach geschah.

Der Schreibstil ist durchweg relativ anspruchsvoll. Eine seichte Lektüre für Zwischendurch ist das Buch bestimmt nicht und das Buch liest sich mit seinen 930 Seiten auch nicht an einem Sonntag-Nachmittag. Doch durch diesen Schreibstil erhält die Geschichte die nötige Authenzität. In manchen anderen Rezensionen habe ich Kritik bezüglich der teilweisen sehr brutalen Ausdrucksweise gelesen, wozu ich folgendes sagen kann: zwar sind die Verletzten und Tote stellenweise doch sehr plastisch beschrieben, aber dieser Umstand hat mich jetzt eher weniger gestört. Im Gegenteil... durch diese Elemente bekommt der Leser einen noch deutlicheren Einblick in das Grauen, das die Menschen vor knapp 200 Jahren erdulden mussten. Der Krieg ist nun mal keine schöne Sache, da fließt Blut, Menschen verlieren Arme und Beine.... Wer Regenbögen und Einhörner erwartet, der darf zu diesem Buch dann eben nicht greifen.

Und zum Schluss...
"1813 - Kriegsfeuer" ist ein wirklich exzellent recherchiertes Buch, das sich mit der Völkerschlacht um Leipzig, und damit mit einem Thema beschäftigt, das bisher so noch nicht thematisiert wurde. Obwohl ich anfangs von den knapp 1000 Seiten doch abgeschreckt war, habe ich das Buch in kürzester Zeit verschlungen, da ich es nicht mehr aus der Hand legen konnte. Allerdings muss man das Buch schon genau lesen, um ständig auf dem Laufenden zu sein. Wer nur kurzweilige, seichte Unterhaltung sucht, sollte lieber zur Hebammen-Saga von Sabine Ebert greifen. Wer allerdings ein historisches Meisterwerk mit nur klitzekleinen Schwächen bevorzugt, ist mit 1813 wunderbar bedient. Die Fortsetzung "1815 - Blutfrieden", das erst vor kurzem erschienen ist, habe ich schon angefangen.