Rezension

1969 - erstmals Frauen im Polizeidienst

Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens -

Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens
von Mathias Berg

Bewertet mit 5 Sternen

Ein rätselhafter Kriminalfall, eine Zeitreise mit Fokus auf das Frauenbild Ende der 60er Jahre.

„Die Kriminalistinnen – Der Tod des Blumenmädchens“ von Mathias Berg beinhaltet nicht nur einen spannenden Kriminalfall, sondern thematisiert insbesondere das Frauenbild Ende der 60er Jahre.

Klappentext:

Düsseldorf, 1969: Erstmals werden Frauen zu Kriminalbeamtinnen ausgebildet – ein Novum, das Widerstände in der Behörde und der Bevölkerung hervorruft. Die zweiundzwanzigjährige Lucia Specht lässt sich davon nicht abhalten. Sie ist fasziniert vom Beruf der Kriminalistin und fest entschlossen, der Enge ihrer Heimatstadt zu entkommen. Als ein junges Hippiemädchen brutal ermordet wird, nimmt sich Lucia unter Mithilfe ihrer Kolleginnen des Falls an – und beweist, dass sie das Zeug zur Ermittlerin hat.

Ich kannte bereits Mathias Bergs Krimis „Preis der Rache“ und „Lohn des Verrats“ und freute mich, Otto Hagedorn, dem Ermittler aus diesen Bänden, wieder zu begegnen. Dennoch ist dieses Buch keine Fortsetzung, sondern offensichtlich der Start einer neuen Reihe rund um sechs Frauen, die sich im von Männern dominierten Polizeiapparat behaupten müssen. Die Handlung des Romans ist zwar erfunden, doch basiert sie auf einer Tatsache. Dieses Experiment „Frauen bei der Kriminalpolizei“ im Jahr 1969 gab es tatsächlich.

Das Buch erschien 2023. Bereits das Cover stimmt durch Motiv und Farbgebung auf die sogenannte Flower-Power-Zeit ein. Das Buch gliedert sich in drei Teile, innerhalb dieser wiederum in Kapitel mit angenehmer Länge, die zum Teil datiert sind. Der Handlungszeitraum umfasst zwei Wochen im August des Jahres 1969.

Der Schreibstil liest sich flüssig, die Sprache ist jener Zeit angepasst. Sehr bildhaft wurde ich in meine Teenagerzeit zurückversetzt. Ende 1969 war ich 16, zwar kein Hippiemädchen und manches, das hier geschildert wird, habe ich nie selbst erlebt, wie Hippie-Partys oder verrauchte Bars oder Beisln, aber das bürgerliche Umfeld ist mir noch lebhaft vor Augen: Telefonzellen, Telefone mit Wählscheibe, diktierte Texte zu stenografieren, die Schlagermelodien, Buchtitel, Marken wie Tosca, Pitralon oder Sinalco, VW-Käfer, natürlich die Mode, aber auch die Ermordung von Sharon Tate ist mir erinnerlich, u.v.a.m. Der Autor zeichnet ein authentisches Bild der damaligen Zeit, mit deutlichem Fokus auf das damalige Frauenbild, die Abhängigkeit der Frauen von den Ehemännern, die bestimmen durften, ob man und welchen Beruf man ausübt, dieses „Frauen-gehören-hinter-den-Herd“-Denken bis hin zu den riskanten verbotenen Abtreibungen. Deutlich spürt man, wie Frauen behandelt wurden, als Me-Too und Political Correctness noch nicht erfunden waren.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Lucia Specht, eine dieser jungen Frauen, die sich zur Kriminalbeamtin ausbilden lassen. Die Geschehnisse werden in Ich-Form aus ihrer Perspektive geschildert. Man ist einerseits mitten drinnen in den Ermittlungen, in den offiziellen ebenso wie in Lucias eigenmächtigen Aktionen, blickt andererseits aber auch in ihre Seele, lernt ihr privates Umfeld kennen, ihre Vergangenheit, ihre Motivation für die Berufswahl. Sie zeigt ihre verletzliche Seite ebenso wie ihren Durchsetzungswillen und ihre Zielstrebigkeit. Die Charakterisierung ihrer Person ist am ausführlichsten, doch auch ihre Kollegenschaft u.a. Nebenfiguren zeichnen sich durch markante Eigenschaften und Verschiedenartigkeit aus, wirken lebendig, mehr oder weniger sympathisch und sind gut vorstellbar beschrieben. Die Milieuschilderungen spannen sich vom Spießbürgerlichen bis zur lockeren Hippie-Party, inklusive einer Prise Erotik.

Die Handlung ist gut aufgebaut. Nachdem man im ersten Teil in die Atmosphäre dieser Zeit eingeführt wird und die handelnden Personen kennenlernt, steigert sich die Spannung ab Teil 2 zusehends, durch gefährliche Momente, Action und dramatische Ereignisse, bis sich letztlich, nach einigen irreführenden Fährten, der Fall schlüssig löst. Das Ende, der Aufbruch zum nächsten Fall, macht bereits neugierig auf die Fortsetzung.

Mir hat das Buch in seiner Gesamtheit ausnehmend gut gefallen, eine gut dosierte Mixtur aus Kriminalfall und Zeitbild. Eine unbedingte Leseempfehlung!