Rezension

Abriss des gesellschaftlichen Verfalls

Blackout Island - Sigríður Hagalín Björnsdóttir

Blackout Island
von Sigríður Hagalín Björnsdóttir

Bewertet mit 4 Sternen

Viel Material für eine spannende TV-Serie!

Island im 21. Jahrhundert – eine aufgeklärte, wohlhabende Gesellschaft von unter 350.000 Einwohnern, einzigartige Landschaft, hartes Klima. Plötzlich reißt jedweder Kontakt zur Außenwelt ab: das Internet, ausländische Radio- und Fernsehsender erzeugen nur noch Rauschen, keine Telefonverbindungen, Schiffe und Flugzeuge verschwinden spurlos. Aus der Frage danach, was passiert ist, wird schnell eine viel drängendere: Wie geht es nun weiter? Wie kann die Ordnung aufrechterhalten und die Bevölkerung ernährt werden?

Der Roman schildert diese Entwicklungen und den zunehmenden zivilisatorischen Verfall der hungernden und zornigen Bevölkerung anhand verschiedener Personen: Der Journalist Hjalti, der sich für die Propaganda-Maschinerie der neuen Ministerpräsidentin einspannen lässt, sowie seiner Exfreundin, der Geigerin Maria und ihrer beiden Kinder. Dadurch entwickelt die Autorin ein bedrückendes Kaleidoskop des Niedergangs. Unterbrochen werden diese Geschichten immer wieder von kurzen Zeitungsberichten, die über die aktuellen politischen und ökonomischen Veränderungen und Maßnahmen berichten.

Die Idee einer isolierten Nation finde ich sehr spannend, auch der Überlebenskampf der jeweiligen Figuren ist mitreißend erzählt und gut geschrieben. Ein Manko des Romans ist allerdings seine Kürze – zumindest ist er etwas zu kurz für all die Themen, die hier verhandelt werden: der Spagat zwischen politischer Kontrolle und demokratischen Freiheiten in einer Notsituation, das verspätete Erwachsenwerden eines Mannes, seine gescheiterte Beziehung zu Maria, die Rückkehr zu einer Blut-und-Boden-Mentalität, die Organisierung von Terrormilizen, die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Machtgefüge, die Ausbeutung von Frauen und Kindern, und so weiter. Alles hochspannend, aber für mich irgendwie nicht zu Ende erzählt. Auch der Kunstgriff der Zeitungsmeldungen hat mich etwas gestört, dadurch wird immer wieder „vorgespult“ und man hat den Eindruck einer Geschichte im Zeitraffer. Trotzdem habe ich das Buch aber wirklich verschlungen!