Rezension

Afrodeutsch

1000 Serpentinen Angst -

1000 Serpentinen Angst
von Olivia Wenzel

Die namenlose Protagonistin hat es nicht leicht: Geboren in der DDR, Tochter einer Punkerin, die nie dazugehören und immer nur fort wollte, und eines Studenten aus Angola, der nach seiner Ausbildung zurück nach Afrika muss und kaum Kontakt zu seiner Tochter hält. Das Mädchen erlebt alltäglichen Rassismus - nicht nur Bedrohung durch Neonazis, sondern auch regelmäßige Abwertung im Alltag. Die Rassenfrage ist für sie zentral. Dabei gibt es noch so viele weitere Themen: Wie fühlt es sich für ein Kind an, wenn die Mutter immer nur weg will und der Vater weg ist, wie geht es einem Mädchen, dessen Mutter als "Bürgerschreck" abgelehnt wird, wie verarbeitet eine Jugendliche den Tod des Zwillingsbruders, der (angedeutet) am Alltagsrassismus zerbricht, wie erlebt eine Außenseiterin es, sich als lesbisch zu entdecken und damit einer weiteren Minderheit anzugehören? Kein Wunder, dass die junge Frau eine Angststörung entwickelt...

Die Autorin Olivia Wenzel verarbeitet einige eigene Erfahrungen in diesem Buch, denn auch sie ist als Afrodeutsche in der DDR geboren. Das macht die Schilderungen authentisch. Und es ist gut, dass das Thema des Rassismus auch in Deutschland glaubwürdig dargestellt wird, denn das ist nun wirklich nicht nur ein Problem der USA. Der Inhalt des Buches hat mich daher angesprochen. Probleme hatte ich mit der Form: Hier wird keine durchgehende Erzählung geboten, sondern viele "Schnipsel". Weite Teile sind als eine Art Dialog dargestellt, wobei völlig offen bleibt, wer da mit der Protagonistin spricht. Die vielen Stilwechsel haben meinen Lesefluss gestört; ob das nun Absicht ist wie etwa bei Brechts Verfremdungseffekt, ein Missgriff, wie es bei einem Erstlingswerk verständlich ist, oder einfach nicht meinem eher traditionellen Geschmack entspricht, sei dahingestellt.

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2020.