Rezension

Aktuelle Parallelen

Monschau -

Monschau
von Steffen Kopetzky

Bewertet mit 4 Sternen

In unmittelbarer Nähe der belgischen Grenze liegt die mittelalterlich anmutende Stadt Monschau, ein recht unscheinbarer Ort im Wirtschaftswunderland Deutschland. Die meisten Einwohner arbeiten im örtlichen Industriekomplex der Rither-Werke, die auf internationalem Markt höchst erfolgreich Schmelzöfen vertreiben. Zumindest, bis eine unsichtbare Gefahr aufkommt und das Leben von jetzt auf gleich lahmzulegen droht. Patient 0, ein Reiserückkehrer aus Indien. Verdacht auf - nicht Corona, sondern - Pocken.

Nikos, ein angehender Arzt, wird ins Pockengebiet entsandt und kaum angekommen zum Betriebsarzt des örtlichen Hotspots ernannt: der Rither-Werke. Hier lernt er Vera kennen, rechtmäßige Erbin jener Großwerke, die durch den Einsatz von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg erbaut wurden. Sie liest Simone de Beauvoir, liebt den Jazz und studiert journalistisches Schreiben in Paris. Doch während die junge Avantgardistin in der Nordeifel nach der Topstory ihres Lebens sucht und Nikos mit Schutzanzug den unsichtbaren Wegen der Epidemie nachspürt, finden beide ganz unverhofft, inmitten des vorletzten großen Pockenausbruchs in Deutschland, die Liebe.

Toll erzählt, zudem super spannend auch mit aktuellen Ereignissen vergleichbar, erzählt Kopetzy von Sorgen und Träumen in Zeiten von Quarantäne und Isolation. Und natürlich vom Karnevalsverbot und dem Sichauflehnen gegen die behördlichen Maßnahmen. Kopetzky webt zeitgeschichtliches, internationales Geschehen in die Story ein und erschafft einen lehrreichen sowie komplexen Roman über ein (zumindest mir) kaum bekanntes Ereignis. Die Charaktere bleiben leider ein wenig blass, aber sonst habe ich nichts auszusetzen: ein Lesevergnügen, welches quasi das aktuelle Zeitgeschehen in den Kontext des Jahres 1962 einwebt. Lehrreich, ohne dabei ein ödes Sachbuch zu sein, cool!