Rezension

Als "Genusskrimi" nicht überzeugend

Feine Herren - Stephan Pinkert

Feine Herren
von Stephan Pinkert

Bewertet mit 1.5 Sternen

Der gehobene Mittelstand von Wolfenbüttel, darunter Rechtsanwalt, Notar, Arzt, Kaufmann für Tabakwaren, Uni-Dozent und höherer Beamter, trifft sich zur Weinprobe beim Weinhändler Schramm und lässt es gewaltig krachen. Am nächsten Morgen wundert sich daher Rechtsanwalt und Notar Maibach nicht, dass er über der Kloschüssel hängt. Wenig später gerät der Dozent für Sozialwissenschaften in Panik, da er aufgrund von Blut im Stuhl Darmkrebs vermutet... Die "feinen Herren", die sich nach und nach eher als fette alte notgeile Snobs herausstellen, befinden sich in Lebensgefahr...

Der Schreibstil ist überwiegend sachlich und unpersönlich gehalten, jedoch mit einigen befremdenden Ausrutschern ins Schwülstige und Wertende. Letzteres wäre in einem anderen Erzählstil völlig okay, hier wirkt es jedoch eher merkwürdig.

Die Figuren sind keine ausgebauten Charaktere, sondern eher Stereotypen, die die klassischen Motivationen Gier und Macht vertreten. Sympatische Identifikationsfiguren gibt es nicht. Man ist schnell genervt von den "feinen Herren", die sich selbstherrlich feiern. Die Frauen werden aus vorurteilsbehafteter Männersicht dargestellt: Frauen sind nett anzuschauen und umsatzsteigernd als Bedienung im Geschäft oder begehrtes williges Sexobjekt. Für Leserinnen ist das sehr schwierig zu verdauen.

Die Dialoge erinnerten mich sehr an die typische Seifenopern-Welt oder ZDF-Liebesfilm-Platitüden und sind nicht sehr hilfreich, um mehr Tiefe in die Figuren zu bringen. So bleiben die Figuren sehr oberflächlich und wenig überzeugend.

Ab der Hälfte steigert sich die Handlung und es ist spannender als am Anfang. Das ist ziemlich tragisch, da ein Leser außerhalb einer Leserunde diesem Buch vielleicht bis dahin nicht mehr die Treue gehalten hätte. Der Täter, das Motiv und seine Taten kommen einfach zu spät und sind dann auch leider in ihrer Umsetzung nicht sehr realitätsnah.

Zum Motto "Genusskrimi": Dies ist nicht mein erster Genusskrimi. Ich habe auch schon den "Schokoladenkrimi" gelesen und dort war eine gute Mischung aus Schokoladenleidenschaft und sozialkritischen Anteilen zu finden (z. B. über die Herstellung von Schokolade und ihre Folgen für die Dritte Welt). Hier in den "Feinen Herren" gibt ebenfalls beide Anteile:

Zum einen den Anteil Genuss, dieser wird jedoch nicht positiv dargestellt. Dadurch, dass die Figuren so schrecklich sind und es in ihrem "Genuss" maßlos übertreiben, darunter leiden und teilweise auch sterben, bleibt einem der Schluck Wein eher in der Kehle stecken als dass man dazu animiert wird, sich mithilfe der Weingut-Liste im Anhang wirklich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Auch der Anteil Sozialkritik ist eher verfehlt, denn er taucht nur am Rande auf und betrifft die "feinen Herren" außer den Dozenten für Sozialwissenschaften, dessen Beruf es ja ist, nicht wirklich. Es wirkt dadurch zu aufgesetzt und stört die Handlung eher noch, da es das Erzähltempo verlangsamt.

Dieser "Genusskrimi" ist daher meiner Meinung nach nicht so gut gelungen wie die anderen. Er wirkt leider zu aufgesetzt. Zu "gewollt" werden Essensorgien, Saufgelage, Zigarrenqualmerei etc. aneinandergereiht. Die Idee ist gut, aber an der Umsetzung hat es leider gehapert, was ich wirklich schade finde, da ich die Reihe ansonsten gut finde.