Rezension

Als Krimi fehlt es dem Buch an Spannung

Der Nachbar
von Patricia Melo

Bewertet mit 3 Sternen

Vielversprechend schien mir der Klappentext zu Patrícia Melos Kriminalroman „Der Nachbar“. Voller Erwartung begann ich das neue Buch der als „Königin des lateinamerikanischen Krimis“ und „führenden Schriftstellerin des Millenniums in Lateinamerika“ gewürdigten, mir aber bisher unbekannten Brasilianerin zu lesen. Doch trotz des psychologisch spannenden Themas kam bei mir bald Langeweile auf, weshalb ich den nur 160 Seiten langen Roman, erschienen im Oktober bei Klett-Cotta, dann doch abbrach.

Im Krimi geht es um einen ganz normalen Menschen, einen Menschen wie Du und ich. Hauptfigur des Romans ist ein Lehrer, ein Mann des gebildeten Bürgertums, unscheinbar, bieder, verheiratet, seit Jahren friedlich in einem Mietshaus mitten in der Großstadt lebend. Friedlich lebend? Ja, bis jetzt. Denn kürzlich ist ein Mann in die darüberliegende Wohnung eingezogen, der unseren Protagonisten durch seine Alltagsgeräusche bis ins Mark nervt. Wir erleben nun Seite für Seite, wie allmählich Zorn, Wut und schließlich Hass in unserem Lehrer aufsteigen, bis es zum Mord kommt.

Die Absicht der Autorin ist klar: Sie will uns zeigen, wie leicht ein gänzlich unbescholtener, braver und eigentlich friedliebender Mitbürger plötzlich, für Außenstehende völlig unerwartet zum brutalen Mörder werden kann. Sie zeigt uns in ihrem Roman, welche Gewaltbereitschaft sich in jedem Mitmenschen - vielleicht auch in uns selbst? - verbergen kann. Diese Erkenntnis ist allerdings keineswegs neu und eine Binsenweisheit für jeden erfahrenen Kriminalbeamten.

In diesem Wissen lesen sich die ersten Seiten des Romans noch recht interessant. Doch bald kommt Langeweile auf, wenn wir seitenlang lesen müssen, wie minutiös sich unser Lehrer auf die „Lösung“ seines nachbarschaftlichen Problems vorbereitet. „Der Nachbar“ mag vielleicht ein für psychologisch interessanter Roman sein. Aber als Krimi fehlt es dem Buch an Spannung.