Rezension

Amüsanter Roadtrip durch die Lüneburger Heide

Tango für einen Hund - Sabrina Janesch

Tango für einen Hund
von Sabrina Janesch

Bewertet mit 4 Sternen

"Das hier, haltet euch fest, ist die Lüneburger Heide. Und was hier alles los ist, zeigt gleich die allererste Einstellung: (Mundharmonika quietscht, leise klimpernde Musik im Hintergrund, ein heiserer Wind kommt dazu.) Nichts. Also so richtig: Nichts."

Sommer in Semmenbüttel, irgendwo in der tiefsten Lüneburger Heide.  Wie alle 17jährigen hat auch Ernesto Schmitt große Pläne und Träume. An die Filmhochschule will er, sein Bewerbungsfilm "Über Land" soll von Argentinien handeln, der Pampa, Abenteuer und große Freiheit. Denn hier in der deutschen Provinz ist alles zu eng, zu glanzlos und nicht umsonst hat Ernesto nicht nur seinen Namen vom großen südamerikanischen Revolutionär Ernesto Che Guervara, sondern auch noch reichlich Verwandschaft im Land der Gauchos. 
Leider ist seinen Plänen etwas dazwischengekommen: wegen Brandstiftung, die Ernesto übrigens seinem großen Schwarm Frida zuliebe unschuldig auf sich genommen hat, muss er Sozialstunden im Altersheim ableisten während seine Eltern Urlaub in Marokko machen. Trotz dieser trostlosen Perspektive lässt er sich nicht unterkriegen und verleiht seinem Schicksal einen Hauch Abenteuer, der Hausmeister des Altersheims wird zu "Texas Joe" und die Heide zur Pampa. 
Sehr schön erzählt er von seinem Leben aus der Filmperspektive. Seine Sprache ist schnodderig und frech, man hört ihr aber an, dass er das Herz am rechten Fleck hat. So zum Beispiel, wenn er das Gefüge (s)einer Familie so beschreibt: 

"Ein bisschen wie bei den Vereinten Nationen, nur mit weniger Leuten. Das Ganze ist extrem zerbrechlich und funktioniert nur, wenn sich alle schön an die Charta halten. Und der Inhalt der Charta lautet: Fresse halten."

Sabrina Janesch gelingt es dabei wunderbar, den genau richtigen Ton zu treffen, überdreht, aber nie gekünstelt. Das Buch entwickelt von Anfang an einen kaum zu überbietenden Witz, eine Leichtigkeit und ein Tempo, dass das Lesen eine wahre Freude ist. Zum Erzählton Ernestos gesellt sich noch das Platt der Heidebewohner, und als dann noch sein Argentinischer Onkel Alfonso samt Riesenhund vor der Tür steht, das Spanische hinzu. 
Dieser Astor soll zur Hundeausstellung nach Bad Diepenhövel und so wird aus der liebevoll heimatkritischen Geschichte eine Roadnovel, die auch eine turbulente Fluchtgeschichte ist, denn natürlich soll Ernesto eigentlich Sozialstunden ableisten und natürlich darf er mit 17 nur mit zugelassener Begleitperson Auto fahren. 
Interessanterweise verliert hier, wo es eigentlich erst so richtig los gehen soll, das Ganze für mich an Witz, Reiz und Tempo. Zwar treffen die Drei - Hund Astor mit eingerechnet - auf ihrer Fahrt mit dem klapprigen orangen Fiat Panda, liebevoll "Möhre" genannt, so allerlei kauzige, originelle Typen, aber alles gleicht mehr oder weniger dem Schema "Je verschrobener, desto großherziger", die unvermeidbare Liebesgeschichte und turbulent-chaotische Familienzusammenführung am Flughafen glich mir dann auch allzu sehr zahlreichen Komödienplots. 
Amüsant, locker-leicht und kurzweilig ist das Ganze aber bis zum Schluss. 
Einem Schluss, bei dem Ernesto, ganz im Sinne des klassischen Entwicklungsromans so einiges dazu gelernt hat. Zum Einen natürlich das mit der Liebe, zum anderen aber auch das mit der Großen Weiten Welt und den Abenteuern, die dort auf ihn zu warten schienen. 
 
„Jetzt sag ich dir mal was. Das mit der weiten Welt ist nur ein Märchen. Die gibt’s gar nicht. Es gibt immer bloß die paar Quadratmeter um dich herum. Und mit denen musst du dich abfinden. Egal wo du bist.“ 

Wunderbar wird das von der Autorin ausgeführt, indem sie immer wieder Niedersachsen und Argentinien aufeinanderprallen lässt, die Heide der Pampa immer ähnlicher wird. Gegen Ende treffen die Drei sogar auf eine echt niedersächsische Lamazucht. 

Eine unterhaltsame, in der ersten Hälfte sogar fulminante Geschichte. Eigentlich ein idealer Sommerroman, auch für Jetzt, wo sich der Sommer schon verabschiedet hat.