Rezension

Ana ist blöd. Mia auch.

Splitterfasernackt - Lilly Lindner

Splitterfasernackt
von Lilly Lindner

Bewertet mit 3 Sternen

Lilly ist sechs Jahre alt, als sie vom Nachbarn vergewaltigt wird. Durch dieses (und weitere) Ereignisse geprägt beschließt sie schließlich als Prostituierte zu arbeiten - um das ganze vielleicht auch besser verarbeiten zu können. Täglich wird sie auch noch von ihren "Freundinnen" Ana (Anorexia Nervosa - Magersucht) und Mia (Bulimia nervosa - Ess-Brechsucht) begleitet und öfter mal von Ohnmachtsanfällen "heimgesucht".

Schon länger wollte ich "Splitterfasernackt" lesen, irgendwie hat es sich dann so "ergeben". Als das Buch dann da war, habe ich gleich angefangen zu lesen. Was ja optisch am Buch ganz nett ist: das in hellblau gehaltene Cover mit dem Konterfei der Autorin drauf, außerdem hat das dicke Taschenbuch abgerundete Seiten. Nett, finde ich.

Ich weiß nicht, was ich mir vom Buch erwartet habe. Aber ich kann sagen, dass dies irgendwie nicht so eingetroffen ist, wie ich mir das Buch vorgestellt habe. Lilly schildert im Buch die schlimmen Erlebnisse, die sie in ihrer Kindheit ertragen hat müssen. Von der Vergewaltigung, die der "ach-so-liebe Nachbar" (so denkt die Mutter wohl...) an Lilly "vornimmt". Von den Eltern, die sie nicht so wirklich lieben, zumindest kommt das für mich so herüber. Die auch nicht so wirklich an ihr interessiert sind. Schließlich entscheidet sie sich für ein Leben im "Passion", einem Bordell. Wohl um beim bezahlten Sex mit Männern die Vergewaltigung und sonstige Taten vergessen zu können. Ständig muss sie auch noch auf ihr Gewicht achten, zumindest sagt sie bzw. ihre Freundinnen, Ana und Mia (Magersucht bzw. Ess-Brechsucht) ihr das im Unterbewusstsein. Weil sie es wohl auch irgendwie schafft ohne Essen bzw. mit minimaler Lebensmittelzufuhr zu leben, bzw. eigentlich nicht damit zu leben - kippt sie öfter mal um. Der Körper wehrt sich eben. Auch ihr Körper spricht Bände - die Narben sind ein "Mahnmal", ein "Denkmal", wie sie selbst im Buch mal über ihre Selbstverletzungen schreibt.

Vom Schreibstil her kann sie mich nicht so sehr in ihren Bann ziehen. Ich wollte zwar bis zum Schluss wissen, wie es nun um sie steht, welchen Weg im Leben sie gewählt hat, aber für mich war es irgendwie mehr ein Kampf, als ein "genussvolles Lesen". Natürlich kann bei der Schilderung einer Vergewaltigung an Kindern bei "den vergessenen Tagen" im Leben nicht von einem "genussvollen Lesen" die Rede sein, mich hat es hier emotional sehr gepackt, ich musste das Lesen mehrmals unterbrechen, weil mir solche Taten von Männern einfach nicht in den Kopf gehen wollten.

Es mag sein, dass sie viel Kraft in ihre Worte legen kann mit der Art und Weise, wie sie sich ausdrückt. Mich persönlich spricht es so jedoch nicht an. Zumal ich manche Sätze etwas verdreht bzw. verquer finde, sie möchte Dinge ausdrücken, die einfach nicht auszudrücken sind, glaube ich. "Wie schön dieses lautlose Lächeln von ihm auf dem Bauplatz meiner Seele spielt und von einer Sekunde zur nächsten unbekannten Stunde seine Farben gegen einen makellos weißen Raum eintauscht, nur um mich noch mehr zu verwirren, in meinem Chaos aus Beständigkeit, das er so ungefragt erraten hat. " Gerade diesen Satz finde ich äußerst suspekt, ich habe zwar viel Verständnis für Wortakrobaten, Wortkünstler und dergleichen, aber das ist dann doch komisch.

Ich bin sehr zwiegespalten von diesem Buch. Es wird eine wahre Lebensgeschichte erzählt von einer Frau, die genauso alt ist wie ich es bin. Klar macht mich dies sehr nachdenklich und an manchen Stellen auch recht traurig. Aber dennoch gefällt mir die Art und Weise wie dies hier geschildert wird einfach nicht. Klar ist das nicht alles "Friede, Freude, Eierkuchen" (Oder eher "Freier, ..."? :-o ), aber mir gefällt der Schreibstil einfach nicht. Punkt.

Und Ana und Mia finde ich ebenso blöd. So!

Ich vergebe hier - hin und her gerissen wie ich von diesem Buch bin - dennoch drei von fünf Sternen und bleibe aber unentschlossen, was eine Empfehlung angeht.