Rezension

Anregend

Frankissstein
von Jeanette Winterson

Bewertet mit 3.5 Sternen

Worum es geht: 

1818: Die Shelleys verbringen den Sommerurlaub in der Schweiz. Durch einen Sturm ans Haus gefesselt beginnt Mary Shelley einen Roman zu schreiben. Frankenstein wird geboren. 
In der Zukunft: Dr. Ry Shelley besucht eine Messeveranstaltung zum Thema Künstliche Intelligenz auf der Victor Stein eine Rede halten wird. Seit kurzem verbindet beide ein Techtelmechtel ( Beziehung kann ich es nicht nennen ) und Ry soll Victor mit einem neuen Experiment helfen.
Winterson verbindet in Vor- und Rückblenden die Liebe zwischen zwei Figuren, und lässt Fiktion mit Realität verschmelzen. Wie der Klappentext sagt: Eine Geschichte über das Menschsein. 
Die Rezension bezieht sich auf die englische Ausgabe. 

Triggerwarnung: 

Vergewaltigung

Meine Meinung: 

Ein paar Wochen habe ich das Buch sacken lassen, bevor ich mich nun doch entschloss etwas dazu zu schreiben. Denn gelesen werden sollte es schon. Ich bin überaus dankbar, das Buch in einem gemeinsamen Lesekreis gelesen zu haben, denn alleine wäre ich mit meinen Gedanken wohl nur im Kreis gelaufen. 
Ein grosses Thema in dem Buch, neben Frankstein, ist die Künstliche Intelligenz und wie die Zukunft mit ihr aussehen wird. Ich persönlich bin kein Freund davon ( Googelt nur mal "Human Zoo" ), und daher ist das ein richtiges Horrorszenario für mich. Mit der Figur des Ron Lord und seinem Plan die Männerwelt mit Sexbots zu beglücken hat Winterson einen Teil der Thematik aber humoristisch auflockern können. Bis zum Schluss blieben die Abschnitte mit Ron meine liebsten, boten sie Verschnaufspausen und Lacher.
Ist Frankenstein mein liebster Klassiker, heisst das leider nicht, dass ich viel Ahnung zum Leben Mary Shelleys gehabt habe. Mit der Lektüre von Frankissstein ging das zeitgleiche Googeln der Fakten Hand in Hand. Aber selbst für Laien wie mich, machen die Paralellen zwischen den Zeitebenen unglaublich viel Spass. 
Die Fragen was ein Mensch ausmacht, ab wann man als solches zählt, wer lieben kann, wem das vorrecht auf Gefühle gehört und was man aus sich selbst machen kann, wirft Winterson gekonnt in den Raum. Ry als genannte Transgenderfigur durchlebt ziemlich viel Transphobie im Buch, was so weit geht, das ich echt wütend auf das Buch geworden bin. 
Da jeder Charakter aus 1818 in der Zukunft ein Äquivalent bekam ( Lord Byron = Ron Lord ) hatte ich es so aufgefasst als ob Ry stellvertretend als Monster dargeboten wurde. Die eine Transgenderfigur im Buch als Monster zu präsentieren stiess mir übel auf. Dies ist aber nur meine Interpretation, wahrscheinlich weil ich sehr sensibel auf das Thema reagiere, und bei nachfragen bei Freunden wurde mir gesagt, dass es sonst niemand so verstanden hat. Es gibt bei vielen Themen in diesem Buch sehr viele Möglichkeiten etwas zu interpretieren.

"Calling things by their right names is more than giving them an identity bracelet or a label, or a serial number. We summon a vision. Naming is power.   

Was mich aber wohl am meisten störte war, dass die englische Ausgabe im Klappentext gross mit Brexit rumtönte, nur um dann im Buch von keinerlei Bedeutung zu sein. Ich bin gegen solche Köderei der Leser. 
Alles im allen ist es sehr philosphisch, mir zeitweise auch zusehr vor allem mit der Meta Ebene in der Mary auf Frankenstein selber trifft. Es ist schwer die Handlung des Buches weiter zu erläutern, da sich vieles auf Gespräche zwischen den Figuren beschränkt. Die Haupthandlung sehe ich hier nicht als das wichtigste am Buch.
Eine Geschichte und auch ein Ende das mich noch lange beschäftigte, habe ich nach Wochen immer noch nicht damit abgeschlossen. Es fällt mir recht schwer zu sagen, für welches Publikum dies von Interesse sein könnte, aber da es schon auf der Longlist des Man Booker Preises war, sollte es seine Leser finden.