Rezension

Atwood behält rhetorisch die Fäden stets in der Hand

Margaret Atwood  -  Aus dem Wald hinausfinden -

Margaret Atwood - Aus dem Wald hinausfinden
von

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als der Journalist Caspar Shaller Margaret Atwood in Toronto interviewt, ist „Die Zeuginnen“ noch nicht erschienen und Atwood bewahrt über die Fortsetzung ihres Romans  „Report der Magd“ Stillschweigen. Shallers Respekt vor dem „Überwesen der kanadischen Literatur“ und ihren vielfältigen Interessen ist schon im Vorwort nicht zu übersehen. Zugegeben, als sich das Interview gleich zu Beginn in die Richtung entwickelt, wie sich das Schreiben von Autoren und Autorinnen unterscheidet, war ich sicher, dass Shaller von der Presse-erfahrenen Autorin an die Wand gespielt werden würde. Schließlich hatte Atwood sich schon in jungen Jahren darüber aufgeregt, dass Journalisten Frauen allenfalls zutrauen, biografisch schreiben zu können, jedoch nicht, etwas Eigenes zu schaffen. Da die Interview-Frage, ob z. B. in "Katzenauge" Figuren aus Atwoods direktem Umfeld dargestellt werden, ungefähr so alt ist wie die, ob die Autorin Feministin sei, hätte ich mir gerade hier eine Vertiefung gewünscht. Schließlich hat die Welt sich seitdem weitergedreht, wenn auch nicht zugunsten der Frauenrechte, wie Atwood später noch feststellen wird. Die Gespräche aus einem Zeitraum von zwei Tagen drehen sich u. a. um die "MaddAddam"-Trilogie und "Die steinerne Matratze". Atwood mahnt, es nicht bereits als Feminismus zu bezeichnen, wenn weibliche Figuren in der Literatur „als Menschen“ dargestellt würden, und (mit Blick auf den Fall Kavanaugh) auch nicht, wenn sie „Fairness, Respekt und Anstand“ erwarten.

Dass Atwoods Mutter Margaret Killam (1909-2006), für ihre Generation noch ungewöhnlich, ein Studium der Hauswirtschaftslehre abschloss, hat Caspar Schaller offenbar Probleme bei der Übersetzung bereitet (S. 74), obwohl „home economics“ als Running Gag in Interviews mit Atwood häufig auftaucht.

Obwohl sich Shallers Interview deutlich auf Atwoods Werke dieses Jahrtausends bezieht, gibt es natürlich Überschneidungen zu bereits bekannten Interviews. Die Autorin wirkt seitdem zwar in einigen Punkten milder gestimmt, behält  jedoch, schlagfertig wie stets, rhetorisch die Fäden in der Hand.