Rezension

Auf dem Weg zum eigenen Ich

Ningaloo Dreaming -

Ningaloo Dreaming
von Hanna Hoyo

Bewertet mit 5 Sternen

„...Atemberaubend, spektakulär, dramatisch, inspirierend, überwältigend, hinreißend, exzentrisch! Es gibt viele Worte, die die australische Westküste beschreiben können, aber weder ein Einzelnes noch eine Aneinanderreihung würde der Realität jemals gerecht werden….“

 

Mit diesen, kursiv wiedergegebenen Worten schließt zum Teil der Prolog des Buches.

Christina beschließt 2003 kurz vor Abschluss ihres Medizinstudiums, eine Reise nach Australien zu machen, um ihren Vater zu suchen. Das einzige, was sie in der Hand hat, ist eine Karte von einem Weingut am Margaret River.

Die Autorin hat einen bewegenden Roman geschrieben, der mehrere Dinge vereint. Zum einen ist es eine Art Reisebericht, zum anderen eine Reise der Protagonistin zu sich selbst. Nicht zuletzt spielen religiöse und philosophische Aspekte eine Rolle.

Anfangs ist Christina mit einer Reisegruppe unterwegs. Das Ziel ist Exmouth. Dorthin wurde sie auf dem Weingut verwiesen. Sehr gut wird die Landschaft beschrieben, die sie kennenlernen.

 

„...Der Strand und die Dünen aus Milliarden von weißen Muscheln, sanft abfallend bis zum türkisgrünen Wasser, das in der Ferne dunkler wurde...“

 

Immer wieder gibt es Rückblicke in Christinas Leben, die bei den Großeltern aufwuchs. Sie haben sie geprägt, aber auch ihre Begabungen gefördert.

Sehr schnell wird deutlich, dass Christina bei persönlichen Beziehungen konsequent Grenzen setzt. Sie weiß, was sie will. Allerdings wird sie erst während der Reise wirklich begreifen, warum dem so ist.

 

„… Im Umgang mit dem anderen Geschlecht war ich bisher immer sehr reserviert, ja beinahe steif gewesen, immer darauf bedacht, nicht versehentlich ein falsches Signal zu setzen. Dieses Verhalten war fest in mir verankert...“

 

In Exmouth ist ein Tauchkurs geplant. Der wird von Elinor geleitet. Beim ersten Zusammentreffen mit ihr registriert Christina manches, was sie stört. Das wird sich ändern. Elinor, die um einiges älter ist, hat ein bewegtes Leben hinter sich.

Es sind die vielen Gespräche, die dem Buch ein besonderes Flair geben. Sie lassen tiefe Einblicke in die Seelen der Protagonisten zu. So äußert Elinor.

 

„...Und je älter wir werden, desto kleiner wird der Kreis unserer Angehörigen aus Kindheitstagen. Mit jedem, der geht, geht ein Stück von uns mit...“

 

Manchmal klingen dabei philosophische oder spirituelle Gedanken an.

 

„...Im Laufe des Lebens wachsen wir immer wieder aus alten Sichtweisen heraus, erweitern unseren Horizont, lernen außerhalb der Box zu denken. Folglich wird die alte Box zu klein und wir brauchen eine größere...“

 

Die Fischfabrik in Exmouth, in der Christina ihren Vater vermutet, hat gerade Sommerpause. Christina bleibt im Ort und macht später einen kurzen Abstecher nach Neuseeland. Dabei darf ich als Leser beobachten, wie sich Christina innerlich entwickelt und ihr bisheriges Leben hinterfragt. Gerade die Begegnung mit den Menschen zeigt ihr, was sie wirklich will. Es geht auch um Toleranz und Selbstbestimmung und um das Hinterfragen der eigneen Motive.

Natürlich wird sie erfahren, wer ihr Vater ist. Das ist allerdings eine handfeste Überraschung.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist inhaltsreich und verfügt über eine innere Spannung, die sich aus den Beziehungen der Protagonisten ergibt.