Rezension

Aufbruch in die Dunkelheit

Aufbruch in die Dunkelheit -

Aufbruch in die Dunkelheit
von Mark Stichler

Bewertet mit 5 Sternen

ein historischer Roman mit sehr aktuellem Bezug - klare Leseempfehlung

Waldbrügg, eine kleine Stadt im Südwesten Deutschlands, im Jahre 1890: Mark Stichler erzählt die Geschichte der Familien Escher und Mandelbaum. Franz Escher ist Bürgermeister und Tuchhändler, der Jude Jakob Mandelbaum führt eine überregional bekannte Möbelmanufaktur. Eschers Söhne und Mandelbaums Kinder sind seit ihrer Kindheit befreundet. Zwei Ereignisse führen dazu, dass sich die Stimmung in Waldbrügg verändert: zum einen entscheidet sich Mandelbaum für einen günstigeren Tuchhändler, was Escher nicht gefallen kann, zum anderen bekommen die Nationalen Clubs, in Waldbrügg angeführt von dem undurchsichtigen Journalisten Michael Maarsen, neue Anhänger. Dann eskaliert die Lage beim Frühlingsfest.

Mark Stichler erzählt die Geschichte der beiden Familien ruhig und langsam, was in meinen Augen gut zu dem Städtchen passt. Schon die ersten Seiten ziehen den Leser in die Geschichte, die von Anfang an eine düstere Stimmung hat, so habe ich es jedenfalls empfunden. Diese Stimmung kann man, wenn man will, auch dem in Grautönen gehaltenen Cover entnehmen, das sehr gut zum Inhalt passt.

Die Protagonisten werden lebendig und detailliert geschildert, so dass dem Leser nicht nur die Mandelbaums und die Eschers, sondern auch weitere Beteiligte gut vor Augen stehen. Ihre jeweiligen Meinungen und Handlungen sind gut und folgerichtig beschrieben. Jakob Mandelbaum sieht als erster die Gefahr, die am Horizont auftaucht, weiß er doch, dass die Juden seit Jahrhunderten für alles verantwortlicht gemacht werden und dass die derzeitige Ruhe eher trügerisch ist. Nicht grundlos hat seine Schwester Jella die Stadt vor langer Zeit verlassen. Bürgermeister Escher, enttäuscht von Mandelbaum, sieht nun dessen Wohlstand kritisch und seine Bekanntschaft zu ihm in einem etwas anderen Licht. Sein Verhalten erscheint mit symptomatisch.

Der Autor beschreibt auch die Örtlichkeiten sehr genau und mit Überlegung, z.B. das dunkle Arbeitszimmer des Bürgermeisters im Rathaus.

Ein Satz hat mich sehr nachdenklich gemacht: "Was, wenn in dieser Stadt oder in vielleicht sogar in ganz Deutschland das Böse immer heimlich im Untergrund brodelte und nur dann und wann zum Vorschein kam, um sich dann wieder hinter die Vorhänge und in die Hinterzimmer der schmalen Häuser mit ihren kleinen Fenstern zu verziehen?" (Seite 460)

Es bleiben viele Fragen offen, die hoffentlich im zweiten Band beantwortet werden.

Fazit: ein historischer Roman mit sehr aktuellem Bezug - klare Leseempfehlung