Rezension

Aufrüttelnd und erschreckend

Du wolltest es doch - Louise O'Neill

Du wolltest es doch
von Louise O'Neill

Bewertet mit 4 Sternen

"Du wolltest es doch" ist die Geschichte von Emma.

Emma, die von jeher und von allen wegen ihres guten Aussehens bewundert und begehrt wird. Emma, die aus einer angesehenen Familie kommt. Emma, die in der Schule beliebt ist und auf jeder Party im Mittelpunkt steht.

Emma, die ihre besten Freundinnen beklaut. Emma, die nur zum Schein zu jedem freundlich ist. Emma, die herablassend und fies ist, wenn es einmal nicht um sie geht. Emma, die jeden Mann bekommt, den sie will.

Emma, die eines Tages aufwacht und Schuld an ihrer eigenen Vergewaltigung ist?

Bei diesem Buch bin ich innerlich hin und her gerissen.

Die Thematik ist aktueller denn je und könnte kaum wichtiger sein. Viel zu oft werden Vergewaltigungen, Missbrauch oder sexuelle Belästigung von den Opfern nicht zur Anzeige gebracht, weil in den Augen der Gesellschaft der Rock zu kurz oder der Alkoholpegel zu hoch war. Die Autorin zeigt mit diesem Buch die Mauern und Vorurteile auf, die noch immer in unserer Gesellschaft vorherrschen, und die neuen Gefahren, die durch die sozialen Netzwerke hinzu kommen und die Folgen für die Opfer sogar noch verschlimmern können.

Im ersten Drittel, als man Emma und ihr Umfeld kennenlernt, war ich mehrmals kurz davor, das Buch abzubrechen. Emma ist eine Figur, die bei mir nicht mal einen Hauch von Sympathie geweckt hat und in die ich mich, obwohl ich es wirklich sehr versucht habe, überhaupt nicht einfühlen konnte. Einerseits ist es genau diese Antipathie, die im weiteren Verlauf der Geschichte so bedeutsam wird und das Buch zu etwas besonderem macht. Andererseits hat es die Autorin für mein Empfinden mit der Egozentrik Emmas etwas übertrieben, so dass Emmas Persönlichkeit für mich nicht nur schwer zu ertragen war, sondern auch ein Stück weit unglaubwürdig erschien.

Nach diesem ersten Drittel war ich von der Handlung vollkommen gefesselt, schockiert und abgestoßen gleichermaßen. Doch auch, als Emmas Schicksal etwas in mir bewegte, konnte ich nichts als Mitleid für sie aufbringen. 

Die Handlung und Emmas Gefühle und Gedanken erschienen mir leider, leider sehr realistisch und ich finde es bemerkenswert, welchen Weg die Autorin hier gegangen ist. Am Verlauf der Handlung habe ich nichts zu kritisieren.

Allerdings finde ich es sehr schade, dass die an sich schon schlimme Handlung - für mein Empfinden - aufgrund Emmas familiärem Umfeld noch unnötig dramatisiert wurde. Außer Brian (und vielleicht noch Colin) gab es keine Figur, die mir in dieser Geschichte sympathisch erschien. Auch wenn jedem klar sein sollte, dass es sich bei solch einer Thematik um ein düsteres, schweres Buch handelt, war es mir durch das fast gänzliche Fehlen eines Sympathieträgers für ein Jugendbuch etwas zu viel des Guten.

Im Nachhinein erinnert mich diese Geschichte sehr an den Fall in Steubenville. Ich könnte mir vorstellen, dass die Autorin von diesem Fall inspiriert wurde.

 

Fazit:

Ein sehr wichtiges, aufrüttelndes, bewegendes, erschreckendes, trauriges und wütend machendes Buch. Keine leichte Kost und meiner Meinung nach nicht für Jugendliche unter 16 geeignet. 4 Sterne.