Rezension

Aufschlussreiche Detailstudie

Die Presse in der Julikrise 1914 -

Die Presse in der Julikrise 1914
von

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch untersucht die Rolle der Presse im Zeitraum von der Ermordung des österreichischen Thronfolger in Sarajewo bis zum Kriegseintritt der USA 1917. Dabei werden in den einzelnen Kapiteln die diesbezüglichen Pressemeldungen aus Österreich, dem Deutschen Reich, Russland, Frankreich, Großbritannien, dem Osmanischen Reich, der USA und der Schweiz (in der genannten Reihenfolge) untersucht. Deutlich wird, dass die Presse nicht nur Berichterstattung betrieb, sondern auch Meinungsmache, wobei in kaum einen Land eine wirkungsvolle Opposition gegen die Politik der jeweiligen Führung erkennbar ist, am ehesten noch in Frankreich, wo die sozialistische Zeitung "L'Humanité" dem Kriegsgegner Jean Jaures eine Plattform für seinen Aufruf zu einem internationalen Generalstreik der Arbeiter gab. Unabhängig von Zweifeln an dessen Realisierbarkeit, mit der Ermordung Jaures durch einen nationalistischen Fanatiker war diese Option erledigt.

Im einzelnen zeigt sich, dass für meisten Länder die zu vermutenden Erkenntnisse bestätigt wurden. Sowohl in Österreich als auch dem Deutschen Reich  stellte sich die Presse auf den Standpunkt des Angegriffenen, der nur sein Recht auf Genugtuung verlangt, womit sie letztendlich Kriegstreiberei betrieb. Dabei ist durchaus eine Steigerung von moderaten Anfängen bis hin zur Hysterie erkennbar. Ebenfalls nicht überraschend ist die Rolle der russischen Presse, die ganz im Sinne des Panslawismus von Anfang an gegen die Mittelmächte agitierte. Überrascht hat mich die besonnene Rolle der französischen Presse, die gegen meine Erwartung sehr lange sachlich über die Entwicklungen während der Julikrise berichtete. Die nationalistischen Töne kamen vergleichsweise spät ins Spiel. Ähnliches gilt im Großen und Ganzen auch für die britische Presse. Bei der Darstellung über die Rolle der osmanischen Presse hatte ich als Leser so manches Deja vu. Die äußerst aggressive Presse teilte munter gegen Großbritannien und Russland aus, getrieben durch vermeintliche Demütigungen seitens dieser Mächte und verlorenen Großmachtstatus. In der amerikanischen Presse vollzog sich ein Wandel von der anfangs durchaus verfochtenen Neutralität zur vermeintlichen Notwendigkeit, in den Krieg einzutreten, um die Demokratie zu stärken und den Weltfrieden ein für allemal zu sichern. Anmerkung am Rande: ohne Wissen um die Folgen wäre es lachhaft zu lesen, wie die Geschichte der "Hapsburger" für ein sensationsgieriges Publikum zu einer Sex-and Crime-Angelegenheit umgedeutet wurde. Die Darstellung der Schweizer Presse, dem einzigen nicht am Weltkrieg beteiligtem Staat, rundet die Monographie ab.

Neue Erkenntnisse zur Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs sollten nicht erwartet werden, dies ist ja auch nicht der Anspruch des Buches. Aber es vertieft das Wissen um wesentliche Details aus dem Bereich der zeitgenössischen internationalen Presse.