Rezension

Balancieren am Rande des Akzeptierten

Erdbebenwetter
von Zaia Alexander

Bewertet mit 3 Sternen

Nach einigen Umwegen durch verschiedene Länder und Sprachen studiert die 30jährige Lou in Los Angeles Filmwissenschaft, ist soziale Mutter einer pubertierenden Tochter und Versorgerin einer Katze. Als die Katze tot im Garten gefunden wird, rätseln die beiden Frauen über Kojoten, die aus den Canyons in die Stadt  kommen – aber vielleicht war alles anders als sie denken. Tochter Lola pflegte die zugelaufene Katze hingebungsvoll, als diese die beiden Frauen damals als Versorgerinnen wählte. Sie spielt mit der Rollenverteilung, verkündet „Ich bin ein 84-jähriger Chinese“ oder wählt Sophie als Mutter, damit Lou und sie Kinder sein können. Auch Lola hat sich ihre „Mommy“ bewusst ausgesucht, die spurte sofort und nahm Lola bei sich auf. Icherzählerin Lou erscheint wie ein unbeschriebenes Blatt, eine genderneutrale Figur, die mir die gesamte Handlung hindurch nicht näherkommt. Lou wirkt auf mich wie eine Hochstaplerin, die jederzeit enttarnt werden könnte, die anderen Menschen jedoch übelnimmt, wenn  sie ihr etwas vorspielen. Der Kontakt zu einer zwielichtigen Mentorenfigur in Lous Tanzstudio könnte sie in die Fänge einer Sekte geführt haben, es könnte aber auch ein gewöhnliches Spiel der Filmschickeria mit Namen, Identitäten und Rollen sein. Alexanders Figuren balancieren am Rande des gerade noch Akzeptierten. Der Übergang zwischen normal, exzentrisch, dystopisch und wahnhaft wirkt fließend.

Am Ende hat Lou aus meiner Sicht ihre Maskierung nicht abgelegt und ist neutrale Projektionsfläche geblieben. Vermisst habe ich eine exaktere zeitliche Orientierung. Wie alt die Figur einer Jugendlichen sein könnte, ist für mich selbst in einer nur vage angedeuteten Handlungskurve nicht unerheblich. Zaia Alexanders Erstling erlebte ich wie einen pastellfarbenen Morgennebel am Meer in einer fließenden Welt, der sich bei aller Geduld nicht lichtet.