Rezension

Bambell sucht seinen Platz im Jenseits

Eine Woche nachdem Herr Bambell gestorben war, klopfte es an seiner Haustür -

Eine Woche nachdem Herr Bambell gestorben war, klopfte es an seiner Haustür
von Ruben Dellers

Bewertet mit 3 Sternen

Eigenwillige, doch nachdenkenswerte Antworten auf die Frage, die sich viele Menschen in Bezug auf ein mögliches Leben nach dem Tod stellen.

Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wie könnte das dann ausschauen? Es ist und bleibt eine Glaubensfrage! Eine, die gläubige Menschen, solche, die eine Religionszugehörigkeit haben, jeweils unterschiedlich beantworten. Paradies, Himmel, Hölle, Fegefeuer, Nirwana, die ewigen Jagdgründe, ein Kreislauf von Sterben und Wiedergeborenwerden, Seelenwanderung – oder das vollkommene Nichts? Mit dem Tod endet alles Leben, nicht nur das irdische? Jede Seele geht auch im Jenseits den Weg weiter, den sie im Erdendasein gegangen ist? Dann wäre der Tod nicht der große Gleichmacher, sondern es fände wieder eine Selektion statt? Seit Anbeginn der Menschheit haben sich die Völker ihre Vorstellungen gezimmert, Philosophen aller Jahrhunderte haben darüber nachgesonnen, aber naturgemäß keine endgültige Antwort finden können auf die vielleicht größte, wichtigste Frage, die sich während des Lebens eines jeden Menschen, so möchte ich behaupten, stellt. Und selbst diejenigen, die ein Leben nach dem Tod rundweg negieren, haben sich darüber Gedanken gemacht, ansonsten wären sie nicht zu ihrer Schlussfolgerung gekommen, dass da einfach nichts ist, nicht sein kann, nachdem man gestorben ist.

In dem Roman mit dem langen Titel, über den ich an dieser Stelle ein paar Betrachtungen anstellen möchte, begegnet der Leser einem Nihilisten, dem Herrn Bambell, der sich nicht an seinen Vornamen erinnern mag oder kann (später erfährt man, dass er Jakob heißt). Auch den eigenen Tod leugnet er, ein ganzes Jahr lang, und als er ihn sich endlich durch äußere Umstände bedingt eingestehen muss, ist er dabei genauso stur und unbelehrbar wie zu Lebzeiten, als er ein langweiliges, sehr unbedeutendes Dasein gefristet hatte, in dem er sich allem verweigerte, wie es im Laufe der Lektüre den Anschein hat, das ihm Freude und Erfüllung hätte bringen können. Nun sieht er sich gefangen in einer Art Zwischenraum, kann nicht zurück und nicht voran. Dank einer jungen Frau, Julia, die sich als Medium bezeichnet und in der Tat den halsstarrigen Verstorbenen sehen kann, gelangt er auf eine weitere Ebene, auf die er aber auch nicht zu gehören scheint. Dort sieht er mal verschwommen, mal klar, mal schwebt er und mal benutzt er seine Beine, wird dabei aber kontinuierlich langsamer, was ein gewisser Cornelius, den Bambell im Reich der Toten beziehungsweise in einem winzigen Teilbereich davon antrifft, in dem sich Geister aufhalten oder besser, gefangen sind, die zu Lebzeiten alles leugneten, an nichts glaubten, andere Menschen weitgehend mieden, so wie er und Bambell selbst, damit erklärt, dass 'ein Wimpernschlag … einer Woche bei den Lebenden' entspricht. Welche Funktion der Autor jenem Cornelius in der Geschichte, mit der ich, so kurz sie auch ist, meine liebe Mühe und Not hatte, eigentlich zugewiesen hat, ist mir bis zum Ende unklar geblieben, denn der 'Chef', oder was immer Cornelius in dem Stückchen Jenseits ist, in das einer wie Bambell passt, drückt sich in Rätseln aus, spricht knappste Sätze, die ich mit vielen Fragezeichen versehen habe, gibt Antworten auf Bambells Fragen, die zu jenen in keinem Bezug stehen.

Aber genauso ist die gesamte Erzählung aufgebaut: knapp, karg, dürre Worte, kryptisch. Man muss sich seinen Weg hindurch bahnen, so wie die Hauptfigur Bambell, der aber wenigstens zu verstehen scheint, dass er nach seinem irdischen Leben, so, wie er es nun einmal gelebt hatte, seinen Platz im Jenseits zugewiesen bekommen hat – ebenso einsam und eingesperrt, wie im Diesseits! Dass es aber auch für die Seelen der Verstorbenen weitergeht und dass er genauso wie im Leben auch im Tod eine Wahl hat, dämmert ihm langsam, nachdem er auf einem Treffen mit Julia, die inzwischen ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden weilt, beharrt hat und das Cornelius ihm, nicht wissend, was er mit dieser toten Seele anfangen soll, auch gewährt. Ihr vertraut der Eigenbrötler, sie ist seine eigentliche Richtungsweiserin, obschon auch sie sich einfach nicht klar ausdrücken kann – ein Manko, wie ich finde, das die gesamte Geschichte durchzieht!

Nun, der Autor hat einen Entwurf seiner eigenen Vorstellung vom Jenseits oder besser einem Leben nach dem Tode angeboten, die von der meinen genauso abweicht, wie ich mit Gewissheit nicht zu denen gehöre, die wirklich etwas anfangen können mir diesem Roman der Andeutungen und des Rätselaufgebens. Dennoch beschäftigt mich des Autors Vision, wenn es denn tatsächlich die seine ist. Wovon allerdings auszugehen ist, denn, um Generoso Picone zu zitieren, 'es gibt kein anderes als das autobiographische Erzählen'. Es könnte so sein, oder so ähnlich, oder vollkommen anders oder womöglich ist das große, das allumfassende Nichts die Antwort. Wer weiß das schon! Niemand hat je über seine Erfahrungen im Jenseits (Anderwelt ist ein passender Ausdruck, trifft auch die Welt, die der Autor fabuliert hat) berichten können! Die Frage aber wird bestehen bleiben, solange es Menschen gibt...